Quantcast
Channel: Hopfenhelden | Das Biermagazin
Viewing all 753 articles
Browse latest View live

Brauschrat Undercover

$
0
0

Die Stone Brewing Company ist eine der fünf erfolgreichsten Craft Breweries der USA. Greg Koch, Mitgründer und CEO war diesen Sommer eine gute Woche auf Deutschlandbesuch. Warum nur?

Gleiche Pose, anderer Inhalt: Als Greg Koch noch Sänger der Band "Elephant Jam" war, war das Bier ein Mikrophon. Allerdings war er damals weitaus weniger erfolgreich. (Foto: Stefan Peters)

Gleiche Pose, anderer Inhalt: Als Greg Koch noch Sänger der Band “Elephant Jam” war, war das Bier ein Mikrophon. Allerdings war er damals weitaus weniger erfolgreich. (Foto: Stefan Peters)

Das mit den Haaren, das sei „einfach so passiert“, sagt Greg Koch. Vor zwei Jahren hat er aufgehört sich zu rasieren. Nur so, ohne Grund. „Die Sommer sind seitdem deutlich wärmer“, sagt er. Und: „Ich wirke mit Bart viel netter als ohne. Wirklich: Die Zahl zufälliger Gespräche auf der Straße oder am Flughafen ist deutlich gestiegen.“ Vielleicht weil man meint, es mit einem Öko-Avocadofarmer zu tun zu haben. Oder dem Leiter eines Waldorfkindergartens. Oder einen Goa-Trance-Komponisten. Oder was auch immer. Nur einen der erfolgreichsten Brauereibesitzer der USA würde man hinter dem Gestrüpp nicht unbedingt vermuten. Platz Fünf der Craft-Brewery-Charts. Popstar der Szene und vermutlich längst Biermultimillionär. Aber darum, ums Geld, geht es Greg Koch natürlich nicht.

Als Koch die Stone Brewing Company 1996 gemeinsam mit Steve Wagner gegründet hat, ging es ihm oder viel mehr seinem Vater, der das Unternehmen mit einer Anfangsinvestition von 500.000 Dollar finanziert hat, darum, dass der Bub was anständiges macht. Davor war Koch Musiker in Los Angeles. „Möchtegernmusiker“, wie er sagt. Das mit dem Durchbruch einer Rockband namens “Elephant Jam” wollte nicht so recht klappen.  Bierbrauen hat er nie gelernt. Aber trinken konnte er ganz gut, am liebsten Anchor Steam Beer. Und verkaufen konnte er auch. Vor allem sich. „Mein Vater hat eigentlich gar nicht an Bier geglaubt, er hat das für mich getan. Er hat nicht verstanden, welche Bierwelt ich damals schon vorausgesehen habe. Und vermutlich dachte er, er würde das Geld  verlieren.“ Mittlerweile hat der Sohn alles zurückgezahlt.

Die Welt, die Koch voraussah, war eine, in der die Menschen sich auf alte Werte zurückbesinnen. Geschmack statt Marke. Eine Post-Industrialisierungs-Lebensmittelwelt, in der es nicht mehr darum geht, möglichst billig zu produzieren und teure Brands zu verkaufen. Kochs Theorem dazu klingt so:

Klar, so ist die „craft beer revolution“ in den USA gelaufen. Aber lässt sich das Eins zu Eins auf Deutschland übertragen? Nicht ganz. „Deutsches Industriebier ist Scheiße, aber nicht so Scheiße wie amerikanisches Industriebier“, sagt Koch. „Das ist irgendwann unerträglich geworden.“ Deutsche Industriebiere gingen dagegen. „Also nicht für meinen Geschmack, aber ich kann mir vorstellen, dass man sich, wenn man die öfter trinkt daran gewöhnen kann.“ Gut möglich, dass der Gewöhnungseffekt bei so manchem deutschen Biertrinker zu der Annahme führt, er habe da wirklich gutes Bier im Glas. Deutschland, Biernation, Erfinder des Reinheitsgebotes und so weiter. „Für diejenigen habe ich eine Message“, sagt Koch. Er räuspert sich und rückt sein Cap zurecht. „Liebe uninformierte Biertrinker, die ihr glaubt, das beste Bier der Welt zu trinken: Denkt ja nicht, ihr seid was Besonderes. Es gibt eine Menge uninformierter Biertrinker da draußen. Aber: Wer behauptet, das beste Bier der Welt zu trinken, dabei  aber Industriezeug im Glas hat, macht sich zum Affen.“

GregKoch2

Irgendwann, meint Koch, würden auch die deutschen Biere schlecht genug, dass die Underdogs ganz von alleine nach oben kämen.
Ganz von allein? Wirklich? Was wäre, wenn beispielsweise eine erfolgreiche und populäre amerikanische Craft Brewery der Bewegung in Deutschland Schwung verleiht, weil sie hierzulande eine Dependence eröffnet? Eine Brauerei die sowohl die finanziellen Mittel als auch den Sexappeal und vor allem einen vorzeigbaren, eloquenten Popstarmäßigen Chef hat. Eine Brauerei wie… die Stone Brewing Company?

Hinter dem vielen Haar guckt Greg Koch fast ein bisschen erschrocken. „Also  – ich habe ja lediglich davon gesprochen, dass wir gern etwas in Deutschland machen würden. Das heißt nicht, dass wir das konkret planen“, sagt er. Und selbst wenn: „Davor müsste sich niemand fürchten, wir sind keine Gefahr für kleine deutsche Craft Brauer, wirklich. Wir sind total kooperativ. Zuhause arbeiten wir ja auch mit 35 kleinen Craft Breweries zusammen.“ Überhaupt: Zusammenarbeit ist ein Muss in der Szene.

The post Brauschrat Undercover appeared first on Das Craft Beer Magazin.


Ein bisschen Frieden

$
0
0

Andreas Seufert war eigentlich schon überall auf der Welt – aber nur, um wieder zurückzukehren in die Rhön. Dort hat er vor fünf Jahren eine Brauerei gegründet, deren Name ein Reisesouvenirs ist: Pax Bräu

PaxBräu3

Kommt in Frieden: Andreas Seufert von Pax Bräu (Foto: Stefan Peters)

Es ist schon verrückt, wie man manchmal so weit reisen muss um etwas eigentlich ganz naheliegendes zu finden. Den Namen für seine Brauerei in Oberelsbach in der Rhön, knapp 3000 Einwohner und in der Nähe von eigentlich nichts, Fulda vielleicht oder Schweinfurth, den Namen für diese Brauerei fand Andreas Seufert in Laos. Oder viel mehr kam seine Freundin drauf, als sie 2007 mit dem Rucksack durch Südostasien getourt sind und dabei viel in irgendwelchen Bussen und noch viel mehr an irgendwelchen Bushaltestellen herumgehockt sind und gewartet haben. Einmal saßen sie da auch in Pakse. Klingt wie Pax. Lateinisch: Frieden. Und das war genau, wonach sie gesucht haben. Den Slogan für seine eigene Brauerei hatte Seufert nämlich schon längst im Kopf: „Lasst uns Schwerter zu Zapfhähnen schmieden“ – Pax Bräu.

„Ich hatte meinen ersten Braumeisterschultag am 11.September 2001. Der Beginn einer Zeitenwende in Sachen Sicherheitspolitik. Über Krieg und Frieden wurde da ganz neu diskutiert. Auch bei uns angehenden Braumeistern“, erzählt Seufert. „Abends in der Kneipe, wo wir regelmäßig das Meisterschulgeschehen verarbeitet haben, hat einer dann den Trinkspruch ausgebracht: ‚Drum lasst uns also Schwerter zu Zapfhähnen schmieden; trinken für den Frieden.‘ Da dachte ich mir: Das ist stark, das merke ich mir. Und wenn ich mal eine Brauerei gründe, dann wird das mein Motto.“

Bis dahin allerdings verging noch ein Weilchen und wieder musste Seufert erst sehr weit in die Ferne ziehen, bevor er nach Hause zurückkam, in die Rhön, um dort zu brauen und zu bleiben. Er arbeitete als Braumeister in Vietnam, nahm Großsudhäuser in Russland und Südafrika in Betrieb, war in Südkorea und der Türkei bis er zuletzt in China arbeitete. Als dieser Auftrag 2009 beendet war, beschloss er sich selbstständig zu machen. So richtig. Und so ganz anders als er es gesehen hatte: „Wenn in einem Sudhaus mehr Dosage-als Produktpumpen stehen, wenn da Phosphorsäure, technische Milchsäuren und Enzyme ins Bier geschüttet werden und es immer nur darum geht, Produktionszeiten zu verkürzen, weil Zeit Geld ist, dann ist das nicht meins“, sagt er. Ja, sicher, im Ausland ist das noch mal anders, da berufen sie sich ja noch nicht mal auf das Reinheitsgebot, aber auch deutsche Großbrauereien wollen erstens Profit und zweitens auch Bier machen, findet Seufert. Also eben: Nicht seins. Deshalb: Selber machen.

Seit 2002 hatte er in einem alten Kuhstall ein bisschen vor sich hingebraut, seit 2004 verkauft er auch was davon. So bei sich in der Gegend an „Leute, die auch vor dem höheren Bierpreis nicht zurückschrecken“, gerne auch „an so Hallodris wie mich, mit langen Haaren und Tätowierungen“, sagt er. Was dann passiert ist, liest sich in etwa so in der Erfolgsgeschichte jeder Craft Brewery: Irgendwie ging es dann furchtbar schnell durch die Decke. So viel Nachfrage. Und immer mehr. Als der Brauer davon erzählt scheint er selbst nicht so ganz zu wissen, ob er das nun wahnsinnig geil oder doch nur Wahnsinn finden soll. Es gibt eine Downside, keine Frage: „Ich weiß nicht, wie lange man solche sechzig bis achtzig Stunden Wochen durchhält“, sagt Seufert. „Außerdem habe ich zwei kleine Kinder, die sehen mich nicht oft. Das würde ich schon gern ändern.“ Sein Vater und sein Onkel helfen in der Brauerei. Letzterer wurde gerade Achtzig. „Und brauen kann keiner von denen. Wenn ich also ausfalle…?“  Im Herbst stellte Seufert nun seinen ersten Lehrling ein.

Andreas Seufert fing mit einem Rauchbier und einem Weizen an. Dann wollte er aber auch mal ein Pale Ale brauen. Und ein Stout. Oder Porter? Witbier! Was Saures? Oder Spicebeer? Honig! „In meiner Brauerei ist die Produktionskapazität sehr begrenzt. Da kann ich keine sechs sieben Sorten ganzjährige machen.“ Und so kam die Idee mit dem Bierkalender: Jeden Monat ein neues Bier. Mittlerweile ist das so etwas wie das Pax-USP. Und ein cleveres Abomodell, was für Liebhaber und Fans. Läuft super. Und trotzdem hasst sich Seufert jedes Jahr im September aufs Neue für diese brillante Idee: „Immer wenn ich mich hinsetzten und das Zeug für die Broschüre zu dem Kalender schreiben muss, denke ich, ich hätte doch einfach beim Hellen bleiben sollen“, sagt er und lacht.

PaxBräu1

Andreas Seufert – Chef, Brauer und Mann für alles bei Pax Bräu (Foto: Stefan Peters)

The post Ein bisschen Frieden appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Sowohl Klassik als auch Moderne

$
0
0

Sylvia Kopp, Fachjournalistin und Biersommelière, Berlin Beer Academy und Berliner Bierbotschaft, über das Verhältnis von Craft Breweries und traditionellen Kleinbrauereien

Craft Beer von Neugründungen und das Bier aus traditionellen, deutschen Handwerksbrauereien – das sind für mich keine entgegengesetzten Pole, sondern ein Sowohl-als-auch. Ich selbst komme aus dem Bereich der deutschen Klassik, da kenne ich mich aus. Denn als ich 2007 anfing, mich intensiv mit Bier zu beschäftigen, gab es hier nichts anderes. Und bis heute weiß ich ein gut gemachtes Pils oder ein Weizen auch sehr schätzen. Zugleich faszinieren mich Craft Biere aber ungemein.

Die größten Innovationen der vergangenen Zeit kommen nun mal aus der Craft Beer Szene. Vor allem, weil viele Craft Brewer Quereinsteiger sind. So gehen sie ganz anders ans Biermachen ran als jene, deren Familien seit Jahrhunderten brauen. Craft Brewer müssen keine über die Zeit gewachsenen Erwartungen an sich und ihr Bier erfüllen, sie haben keine Stammkundschaft zu bedienen, müssen keine Gewohnheiten brechen. Sie fangen von Null an und wachsen mit ihrer Nachfrage. So können sie ganz Neues ausprobieren.

Es gibt klassische Brauer, die diese Innovationen aufnehmen. Allerdings stehen sie schnell vor einem Problem: Sie wissen nicht so recht, wie sie das Neue in ihr Stammgeschäft integrieren sollen und haben Angst, sich selbst zu kannibalisieren. Auf der einen Seite wollen sie die Kundschaft in ihrem Heimatmarkt nicht abschrecken. Schon möglich, dass man da so manchen vor den Kopf stößt, wenn die fränkische Traditionsbrauerei aus dem Nachbarort plötzlich ein American Pale Ale macht. Auf der anderen Seite wollen sie ihre Chance nicht verpassen, in der sich im Wandel befindlichen Bierbranche neue Märkte zu erobern.

Dazu kommt, dass Craft Beer lauter ist. Auch wenn Craft Brewer nicht unbedingt Unsummen für Marketing ausgeben, fallen sie doch mehr auf als die meisten Traditionsbrauereien. All das mag so manchem klassischen Brauer Angst machen, tatsächlich fürchten muss sich meiner Meinung nach aber keiner vor den Craft Bieren. Der Markt ist eng, aber nicht zu eng. Wer wirklich gutes Bier braut wird seine Kunden auch in Zukunft finden. Leichter vielleicht sogar, wenn die Craft Beer Szene unser „Allerweltsgetränk Bier“ in neuem Glanz erstrahlen lässt.

The post Sowohl Klassik als auch Moderne appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Kein! Helles!

$
0
0

Als Ulf Dörge das Red Hot in München erföffnet hat, gab es dort quasi kein Bier. Das hat sein Barchef-slash-Biersommelier Tibor Kantor gehörig geändert

Küchenchef Ulf Dörge (l.) und Barchef Tibor Kantor (r.) (Foto: NAK)

Küchenchef Ulf Dörge (l.) und Barchef Tibor Kantor (r.)
(Foto: NAK)

Es war einmal ein Saupreiß, der wollte die Saubayern ein bisschen ärgern. Deshalb machte er mitten im tiefsten Schwabing ein Restaurant auf, in dem es kein Helles gab. Kein! Helles! Für den gemeinen Münchner heißt das: Es gab in Ulf Dörges Red Hot  quasi kein Bier. Denn Pils und – Achtung – Kölsch? Das gilt ja wohl nicht. „Ich habe das absolut bewusst gemacht, mir war klar, auf wie viel Unverständnis ich damit stoßen würde – und das was genau richtig so“, sagt der Koch heute. Denn mit dem Unverständnis kam auch ein Aufmerken. Die Gäste fingen überhaupt erst einmal an über Bier nachzudenken statt einfach nur das Essen – amerikanisches Barbecue-Diner-echter-Männer-Food, Spare- und Shortribs, Burger, so was – damit runter zu spülen.
Dass das Red Hot heute, zweieinhalb Jahre nach seiner Eröffnung, die längste Bierkarte Münchens oder vielleicht sogar ganz Bayerns hat, verdankt Ulf Dörge seinem Barchef Tibor Kantor. Selbst komme er mehr aus der Weinecke, sagt er, aber der Tibor, der spinnt total auf Bier.

Kantor wirkt im ersten Moment ein bisschen knurrig. Ist er aber gar nicht. Er ist einfach nur ein müder Nachtmensch, der in seiner weißen Bartenderjacke an einem verregneten Nachmittag in einem leeren, kühlen Gastraum steht und ein Interview geben soll. Puh. Erst mal ein Bier für den Gast? Ein Cocktail? Bitte, das macht er gern. Barkeeper-Ehre. Als er einen Highball serviert hat, setzt er sich an den Tisch, gießt sich selbst ein Wasser ein und erzählt wie das kam, mit ihm und dem Bier.

SOUNDBITE: Tibor Kantor und das Bier

„Irgendwann habe ich mir überlegt: Warum gibt es eigentlich in England dieses Bier und in Belgien jenes? Wenn wir in München doch das beste Bier der Welt haben und alles andere Schmarrn ist, warum trinken die seit Jahrhunderten was anderes?“ Möglicherweise schmeckt das doch auch. Also legte Kantor seine bayerischen Vorbehalte ab und probierte. Vieles. Und war zunehmend begeistert. Man muss sich nur darauf einlassen, sagt er, dass so ein Ale wärmer getrunken wird.

Das Red Hot liegt etwas versteckt in der Amalienpassage in München-Schwabing. Trotzdem ist es oft genug krachend voll. (Fotos: NAK)

Das Red Hot liegt etwas versteckt in der Amalienpassage in München-Schwabing. Trotzdem ist es oft genug krachend voll. (Fotos: NAK)

Und wenn man speziell über Craft Beer spricht, dann gibt es noch etwas, das Tibor Kantor ganz besonders reizt: dass das ein „grass roots movement“ ist, dass hier gilt „major ist das böse evil“. So etwas gefällt ihm, immer schon. Der Tibor hat nämlich eine „diy Punk/Hardcore-Vergangenheit“, sagt er. „Wenn man als Barmann Spirituosen einkauft, ist man leider schon sehr von den großen Konzernen abhängig. Aber eine Bierkarte mit 800 Positionen kann ich schreiben ohne einen einzigen Großkonzern dabei zu haben.“

Ganz so lang ist die im Red Hot noch nicht, aber sie wächst beständig. Von einer auf zwei auf mittlerweile drei Seiten. Biere aus Bayern, Restdeutschland, Amerika, UK, Italien, Dänemark – alles dabei. Beschrieben sind die alle nicht, nur Stil, Brauerei, Größe, Alkohol und Preis. Für alles weitere soll der Gast sich vertrauensvoll an den Barmann wenden. Schließlich ist Kantor auch seit einem Jahr Biersommelier. Und als solcher hilft er gern und kompetent bei der Entscheidungsfindung:

SOUNDBITE: Bierberatung vom Barmann

Erst mal muss der Sommelier wissen, was der Gast vorhat: Isst er auch was? Bleibt er länger oder nur auf ein Bier? Und: Was kennt er, was trinkt er sonst? „Wenn einer ein Helles will, komme ich nicht mit einem Single Hopped IPA. Das überfordert ihn völlig, von der Terminologie genauso wie vom Getränk. Was soll denn der Chi-Chi? Also frage ich, ob er vielleicht mal ein Kellerbier will, was ja im Grunde ein unfiltriertes Helles ist. Das ist dann schon mal ein Unterschied, geschmacklich aber vertraut.“

Beide, Ulf Dörge und Tibor Kantor, stellen fest, dass ihre Gäste sich Laufe des vergangenen Jahr verändert haben. „Wenn die hier reinkommen, haben die ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Dörge. Die wissen über Bier bescheid, über Craft Bier, haben was auf Wikipedia gelesen und wollen sich kreuz und quer durch die Karte zu trinken. Da klingen die Gespräche mit dem Barmann dann auch anders. Da geht es schon mal um Pale Ale versus Imperial Pale Ale. Und Kantor stellt andere Fragen: „Eher malzig oder eher hopfig? Oder auch: Eher blumig oder erdig? Die meisten verstehen eigentlich, was man meint. Klar gibt es immer ein paar, die dann lachen, aber wer interessiert ist, wird versuchen, sich darunter etwas vorzustellen.“

Als guter Barmann hat Tibor Kantor dabei natürlich auch das Wetter im Hinterkopf und beobachtet, wie der Gast drauf ist. Wer Herzschmerz wegsaufen will, kriegt nicht das, was Kantor der fröhlichen Mädelsrunde auf den Tisch stellt. Und die Vorgeschichte zählt: „Es ist immer Aufgabe eines guten Barmann, sich zumerken, was der Gast bei seinem letzten Besuch getrunken hat.”

Barchef und Biersommelier Tibor Kantor. Und im Vordergrund: Bier. (Foto: NAK)

Barchef und Biersommelier Tibor Kantor. Und im Vordergrund: Bier. (Foto: NAK)

The post Kein! Helles! appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Good job, ladies!

$
0
0

Seit fast einem Vierteljahrhundert braut Doug Odell in Colorado Bier, Craft Beer, gutes Craft Beer. Den wirtschaftlichen Erfolg seiner Brauerei aber verdankt der Brauer zwei Mädels

Doug Odell bei seinem Besuch in Berlin. (Foto: Stefan Peters)

Doug Odell bei seinem Besuch in Berlin.
(Foto: Stefan Peters)

In anderen Brauereien – so stellt man sich das zumindest vor – laufen nur bärtige Kerle rum. Kernige Typen, die die meiste Zeit unter sich bleiben und jeden Tag was mit Wurst zu Mittag essen. Nur bei Veranstaltungen, Festen und Messen fragen sie ganz lieb ein paar Freundinnen, ob die nicht mithelfen können, bisschen repräsentieren und so.

Wie sehr diese Vorstellung der Realität nun entspricht, sei dahingestellt. Sicher ist jedenfalls dass es bei der Odell Brewing Company komplett anders zugeht. Da schmeißen zwei Mädels (beide 55+) eigentlich den ganzen Laden, Doug Odell ist nur so etwas wie „the pretty face“. Den schicken sie vor, wenn jemand über die 24 Jahre alte Craft Brewery aus Fort Collins, Colorado, erzählen soll.

Stimmt natürlich auch nicht ganz, Doug Odell ist schon auch als Braumeister unverzichtbar. Aber was schon stimmt: Ohne seine Frau Wynne und seine Schwester Corkie wäre er nichts. Gibt er so zu. „Meine Frau ist der Managing Director des Unternehmens. Sie hat einen Master in Business Administration und versteht wirklich was von Wirtschaft“, sagt der 61-jährige Brauer höchstzufrieden. „Und meine Schwester ist die Personalchefin.“ Gemeinsam haben die beiden über die Jahre der Brauerei ganz schön ihren Stempel aufgedrückt. Sie seien verantwortlich für die ganze, formidable Firmenkultur, so Odell. „Wir schätzen den Input, der von unseren Mitarbeitern kommt und geben ihnen das Gefühl, dass jeder einzelne sehr wohl einen Unterschied macht.“ Er wischt das Kondenswasser vom Bierglas vor sich ab und fügt grummelnd dazu: „So bin ich  eigentlich nicht von Natur aus. Ich bin mehr der Typ, der alles lieber selber und alleine macht.“ Dann schaut er wieder auf und lächelt weihnachtsmanngütig: „Meine Mädels sorgen für eine schöne Balance.“

Gerade haben sich die Odells ein neues Sudhaus gebaut, wollen 2014 fast 500.000 Hektoliter Bier brauen. Aktuell liegen sie auf Platz 33 der amerikanischen Craft Beer Charts, nach Größe bemessen. Und das obwohl sie ihr Bier nur in zehn amerikanischen Bundesstaaten und ein bisschen in UK verkauft. Erstaunlich, dass Doug Odell da dennoch vergangenen Sommer auf Einladung von Sylvia Kopp und ihrer Berlin Beer Academy zu Gast in der deutschen Hauptstadt war. Naja, sagt er, er kam vor allem, weil er neugierig war. Was sich in Deutschland tut im Craft Beer Bereich. „Ich bin nicht hier, um mein Bier in den Markt einzuführen und ich rechne auch nicht damit, dass mich nächste Woche ein Händler aus Deutschland anruft.“ (Zumal ja ohnehin Wynne dann mit dem zu dealen hätte – ist ja Chefsache.) Doug Odell findet spannend, was sich tut.

Cutthroat Porter, eines von sieben Standard-Odell-Bieren (Foto: Stefan Peters)

Cutthroat Porter, eines von sieben Standard-Odell-Bieren
(Foto: Stefan Peters)

„Die Situation als ich anfing Craft Beer zu machen ist sehr gut vergleichbar mit der jetzigen Situation in Deutschland. Ich weiß nicht, wie viele Brauereien sich hier und heute als Craft Breweries bezeichnen. Aber meine Definition für Deutschland wäre: Eine Brauerei, die sich traut, mit Brauarten zu experimentieren, die nicht den gängigen Landesstilen entsprechen, die also nicht Helles, Pils oder Weißbier sind. Wenn man andere Stile ausprobiert, ist man ein Craft Brewer.“ Natürlich sehe er da schon auch Punkte, an denen die deutsche Craft Beer Bewegung zu kämpfen hat. Weniger kompliziert: Es gibt eben viel Tradition, die man erst mal überwinden muss, ehe man etwas Neues wagt. Deutlich komplizierter: „Bier ist so wahnsinnig billig hier! Ich habe gestern einen halben Liter für drei Euro getrunken.“ Das geht mit seinem Bier natürlich nicht. Was würde Wynne, Wächterin der Zahlen, da bloß sagen.

Wo Wynne übrigens nie reinreden ist beim Bier selbst. „Meine Frau trinkt unheimlich gerne Bier, aber darüber hinaus interessiert sie das nicht so besonders. Der Brauprozess und so? Nein. Sie sagt dann immer nur: Mach du mal ein gutes Bier. Ich trink‘ es dann.“

The post Good job, ladies! appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Der Corner-Store-Indikator

$
0
0

Der Autor und Journalist Joshua M. Bernstein lebt in Brooklyn und schreibt über Bier. Für die New York Times, Time Out New York, Wired und andere – und er hat zwei Bücher darüber geschrieben: „Brewed Awakening“ und „The Complete Beer Course“. Für Hopfenhelden hat er sich der Frage gewidmet, woran man eigentlich merkt, dass Craft Beer sich durchsetzte, kein wunderliches Nischending mehr für Geeks ist, sondern eine richtig große Sache.

Vorab eine Beichte: Auch ich habe mit Mainstream-Bier angefangen. Weil ich es nicht besser wusste. Niemand hat mir gesagt, dass es etwas Besseres gibt. Erst als ich im College in Ohio war, gab es da diesen Craft Beer Pub, der hatte jeden Donnerstag „The Power Hour“. Das hieß: Bier für einen Dollar. Einen Dollar! Ein toller Preis, deswegen bin ich da immer hin. Erst nach und nach habe ich gemerkt: Mann, das schmeckt eigentlich richtig gut, dieses Stout, Pale Ale und so.

Die Craft Beer Bewegung in den USA verlief in zwei Wellen. Die erste kam Anfang der Achtziger mit Brauereien wie Sierra Nevada und Samuel Adams. Die waren langsam aber beständig erfolgreich. Dann flachte die Begeisterung aber nach einer Weile ab und erlebte erst Ende der Neunziger ein Revival. Das Problem bei dieser zweiten Welle war: Diesmal wollten viele den Zug nicht verpassen und sprangen überhastet auf. Das heißt, das Craft Beer, das Ende der Neunziger ziemlich plötzlich und heftig überall auftauchte, war, wenn man ehrlich ist, qualitativ nicht besonders toll. Die Leute, die es verkauften hatten aber ziemlich gute Marketingpläne.

Und sie hatten Glück, denn zur gleichen Zeit begünstigten zwei andere Entwicklungen den Erfolg von Craft Beer. Zum einen gab es ein paar Firmen, die den US-Markt mit günstigem Homebrewequipment geradezu überschwemmten. Plus: das Internet kam. Plötzlich konnten sich Homebrewer besser vernetzen, sie konnten Informationen austauschen und voneinander lernen. Bis dato war die einzige Chance, etwas über das Brauen zu lernen, die paar Bücher zu lesen, die es gab, und irgendwelche Homebrewer-Treffen zu besuchen.

Aus diesen neubeflügelten Homebrewers wurden im Laufe einiger Jahre richtig gute Brauer. Der normale Weg: Man fängt an, Bier selbst zu machen, es schmeckt, Freunde sagen, verkauf es doch mal. Anfang der Nullerjahre kamen dann also diese neuen Brauer mit ihren hochqualitativen Bieren zu denen mit den tollen Marketingkonzepten, den schönen Etiketten und geilen Logos. Und zusammen veränderten sie die Art, wie die Leute hier heute über Bier denken.
Nicht alle natürlich, das muss man dazu sagen, Craft Beer macht acht Prozent des Biermarktes aus. Aber es hat ein breiteres Bewusstsein dafür geschaffen, wie vielfältig Bier schmecken kann. (Das Food-Movement der letzten Jahre, also dass wir anfangen über all das nachzudenken, was wir essen, gab dem Ganzen dann noch einen letzten Schubs.)

Wie stark sich Craft Beer etabliert hat, kann man beispielsweise an den Bodegas in New York City ablesen. Corner Stores, Kioske quasi. Die gibt es alle Nase lang. Das sind die Läden, die immer auf haben,  wo man Kaugummi, Zigaretten und auf dem Nachhauseweg schnell ein Sandwich rausholt. Bis vor ein paar Jahren war das einzige Bier, das es da gab, eine Dose Coors für 99 Cent. Heute kannst du in jede beliebige New Yorker Bodega gehen und findest eine überwältigende Auswahl amerikanischer Craft Beers, Stone, Sierra, alle. Die Typen, denen die Bodegas gehören, haben in der Regel keine Ahnung davon. Die fragen mich: Mann, warum kaufst du denn das Bier oder jenes? Ich so: Weil’s gut ist. Die wieder: OK. Es waren also nicht die Kioske selbst, die Craft Beer überall erhältlich gemacht haben, sondern die Großhändler.  Denen verdankt Craft Beer in den USA einen großen Teil seines Erfolgs.

Mittlerweile ist Craft Beer so ein Riesending, dass manche schon von einer Blase sprechen. Das sehe ich, wenn ihr mich fragt, aber gar nicht. Natürlich: Es wird Verlierer geben. Es wird Brauer geben, die scheitern und Brauereien, die dicht machen. Aber ich meine, wenn ein Restaurant schließen muss, sagt doch auch keiner: „Oh Gott, die Gastrobranche wird kollabieren, niemand wird jemals mehr wieder essen gehen.“  Wenn die eine oder andere Craft Brewery in der Zukunft eine Bruchlandung hinlegt, dann heißt das nicht, dass alle anderen auch zugrunde gehen.

Wir haben in den USA immer schon gern lokale Biere getrunken. Das ist im Grunde kein neuer Trend, sondern wir kehren zu  etwas zurück, dass es früher schon gab. Und nicht nur wir: Alle Menschen, egal wo, sind gern gesellig und trinken dazu Bier.
Und das wird auch immer so bleiben.

Der Bier-Autor Joshua M. Berstein in eine typischen Pose. „Anfang der 2000er war alles, was über Bier geschrieben wurde Touristen-Journalismus: ‚Wow, schau, geiles Bier!‘ Ich aber wollte die Geschichte dahinter erzählen, das ganze Bild.“

Der Bier-Autor Joshua M. Bernstein in einer typischen Pose. „Anfang des neuen Jahrtausends war alles, was über Bier geschrieben wurde, Touristen-Journalismus: ‚Wow, schau, geiles Bier!‘ Ich aber wollte die Geschichte dahinter erzählen.“

The post Der Corner-Store-Indikator appeared first on Das Craft Beer Magazin.

“Ich mag an meiner Arbeit alles!”

$
0
0

David Hertl hat zwar gerade erst seinen Meisterbrief als Brauer und Mälzer bekommen, vor etwas mehr als einem Jahr hat er aber bereits die Braumanufaktur Hertl in Thüngfeld-Schlüsselfeld, Oberfranken, gegründet. Die kleinste und neuste Braumanufaktur der Gegend, wie er sagt. Und die einzige, bei der das japanische Fernsehen schon mal zu Gast war. 

Craft Beer? Kann man das zu deinem Bier sagen?
Das Wort Craft passt bei uns richtig gut, weil es bei uns ausschließlich handwerklich zugeht: Wir schroten mit einer Bohrmaschine, brauen ohne Rührwerk, fahren den Edelstahltank in einen selbstgebauten Kühlraum und füllen mit Ein-Rohr-Füllern mit drei Ventilen ab. Das Bier hat selbstgetackerte Etiketten und steht in genagelten Holzkisten, die wir bei der Lebenshilfe herstellen lassen. Wir brauen im Moment ein Pumpkin Ale, das Anfang 2014 verkostet werden wird. Plus ein Whiskybock, IPA, Doppelbock, einen Urbock und  bald ein Maronenbier.

Was magst du an deiner Arbeit?
Die beste Arbeit im vielfältigen Beruf des Brauers ist die Sudhausarbeit. Da man seine ganze kreative Seite ausleben und entscheidende Geschmacksnuancen für das spätere Bier festlegen.

Und was magst du nicht?
Ich mag an meiner Arbeit einfach alles! Jeder einzelne Schritt ist wichtig fürs Ergebnis, ich kann beim besten Willen nichts nennen, was mir nicht gefällt. Ich wusste ja auch schon mit 15 und ohne jeden Zweifel, dass ich Brauer werden wollte. Kein Kompromiss, keine Alternative. Nur Brauer und Mälzer. Mit Leib und Seele. Und jetzt, wo ich die Meisterschule geschafft habe, packe ich nächstes Jahr auch noch den Biersommelier an.

Wie verkaufst du dein Bier?
Zur Zeit vermarkten und verkaufen wir fast ausschließlich direkt von Thüngfeld aus. Teilnehmer beim Event-Brauen und Bierliebhaber kommen zu uns, kosten und kaufen. Für die Zukunft ist neben einer eigenen Website auch die Vermarktung über einen eigenen Webshop in Planung. Zu expandieren und unsere Braumanufaktur umzugestalten, sind die aktuell heiß diskutierten Themen in der Familie. In Zukunft werden wir das ein oder andere Hotel oder Restaurant beliefern, und auch der Einzelhandel wird immer mehr hinzukommen.

Das heißt also, wo soll das alles noch hinführen?
So etwa 600 hl Ausstoß pro Jahr ist unser Fernziel, das wir in den nächsten Jahren erreichen möchten. Das erfordert aber noch eine Menge Planung sowie Aus- und Umbauten, denn wir wollen Qualität und Charakter unserer Braumanufaktur dauerhaft beibehalten.

The post “Ich mag an meiner Arbeit alles!” appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Scheiß auf das Schietwetter

$
0
0

Oliver Wesseloh und Friedrich „Fiete“ Matthies von der Kreativbrauerei Kehrwieder haben aus freien Stücken ein Leben unter Palmen gegen den Hamburger Betonhimmel eingetauscht. Plemplem? Kein Stück. Die beiden hatten schließlich einen Traum

Braumeister und Biersommelier-World-Champion Oliver Wesseloh mit - tadah! - Bier. (Foto: Stephan Röhl www.stephan-roehl.de)

Braumeister und Biersommelier-World-Champion Oliver Wesseloh mit – tadah! – Bier. (Foto: Stephan Röhl www.stephan-roehl.de)

Da, wo anderer Leute Träume wahr werden, fing Oliver Wesseloh erst mit dem Träumen an.
Frühjahr 2007, Cayman Islands: Paradies für Steuerhinterzieher (hört man so) und Dicke-Hose-Urlaubsort für reiche Leute (steht in der Gala). Wesseloh ist keins von beidem, lebt aber trotzdem dort. Fast zwei Jahre ist er Braumeister in der Cayman Island Brewery. Geile Zeit, eigentlich: Immer Sonne, immer Sommer, er wohnt mit seiner Frau, eine Journalistin und Fotografin, in einer Anlage direkt am karibischen Meer, seine ältere Tochter lernt am Strand laufen und am Wochenende fährt Wesseloh mit Freunden zum Hochseefischen. So könnte es bleiben.
Und trotzdem: Manchmal, wenn er abends so am Strand sitzt und über den Ozean in Richtung Osten schaut, denkt Oliver Wesseloh, dass das alles zwar schön ist. Aber noch viel, viel schöner wäre es doch, wenn er irgendwann seine eigene Brauerei hätte. Zuhause. In seiner Heimatstadt Hamburg. Oder „Hamburch“, wie er als echter Hamburger natürlich sagt.

Wie das so ist, kommt es zunächst aber erst einmal anders als sich der Braumeister das vor sechs Jahren so denkt: Wesseloh und seine Familie ziehen weiter nach Westen, er übernimmt einen Job als Engeneering & Sales Manager beim Anlagenbauer Ziemann mit Sitz in Miami, Florida. Ehrlich gesagt: Wieder eine geile Zeit. Er reist durch ganz Nordamerika und die Karibik und klappert diverse Craft Breweries ab. Auch die zweite Tochter darf statt im Großstadtsandkasten jeden Tag am Strand spielen. Und trotzdem sitzt der Hamburger auch hier ab und an am Meer und träumt von seiner eigenen Brauerei.

Bei einem Besuch in der Cayman Island Brewery erzählt Wesseloh seinem dortigen Nachfolger von diesem Traum. Und der findet das ziemlich witzig: Denn gerade erst hat er genau dasselbe schon mal  gehört. Ein Kommilitone an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin träume das nämlich auch. Friedrich Matthies heißt der. Oder eigentlich Fiete. Auch Hamburger, auch den dringenden Wunsch, eine eigene Brauerei in Hamburg zu starten. Und auch mehr so in Richtung Craft Beer. Kreative Biere, könnte man vielleicht sagen.

Elbe statt Mittelmeer: Diplombraumeister  Friedrich "Fiete" Matthies (Foto: Stefan Peters)

Elbe statt Mittelmeer: Diplombraumeister Friedrich “Fiete” Matthies (Foto: Stefan Peters)

Wesseloh nimmt Kontakt mit diesem Typ auf und erwischt Fiete auf einem Segelboot Richtung Ibiza, bis eben war er noch als Brauer auf Menorca. Im November 2012 treffen sich Wesseloh und Matthies zum ersten Mal – im zugigen, ewig regnerischen Hamburg, wo der Himmel die meiste Zeit im Jahr aussieht, als sei er aus Beton. Aber wer braucht schon karibisches Wellenrauschen oder die Sonne Floridas, wenn er jemanden gefunden hat, mit dem er gemeinsame Sache machen kann. Die beiden fangen an, Bierrezepte zu entwickelt, Businesspläne zu schreiben und einen Ort für ihre Brauerei zu suchen. Die ersten zwei Punkte funktionieren super, letztes hingegen gar nicht. „Im Prinzip suchen wir ja nur eine Industriehalle, 200-300 Quadratmeter, 4,5 Meter Deckenhöhe und einen belastbaren Boden. Mit Abläufen, idealerweise“, sagt Wesseloh. Aber finde so etwas mal! Bezahlbar. In Hamburg.

Um trotzdem nicht ewig nur Trockenübungen zu machen, brauen Matthies und Wesseloh im Januar 2013 ihr erstes gemeinsames Bier – gypsiestyle, zunächst bei Raekker Moelle in Skjern, Dänemark, dann im Fanø Bryghus, Mikrobrauerei auf einer Insel, wo schon so große Craft Brewer wie Mikkeller oder sein Zwillingsbruder („Evil Twin“) gebraut haben. Alle drei Wochen  sind Matthies und Wesseloh seitdem in Fanø, immer drei Tage am Stück, um ihre 1000 Liter Sud abzufüllen und den nächsten einzubrauen. Vier Sorten machen sie derzeit. Plus Sondereditionen. Versuche. Sachen wie das Bier namens „Feuchter Traum“. Mit frischem Hopfen, nicht getrocknet, gebraut, fünf Stunden nach der Ernte direkt.

Matthies’ und Wesselohs Traum wird immer wahrer, die Kreativbrauerei Kehrwieder fliegt. Schon ziemlich. „Nicht dass man davon leben kann“, sagt Wesseloh, aber so, dass kaum noch Zeit zum Leben bleibt. Spätestens seit Wesseloh im September dann auch noch die Weltmeisterschaft der Biersommeliers gewonnen hat, ist er fast nur noch auf Tour.

Andere würden da vielleicht vom einem entspannten Leben in der Karibik träumen, ganz chillig Hochseeangeln und Wellengucken und so. Aber das hatte Wesseloh ja schon.

Wegen des nicht getrockneten Hopfens. Deshalb "Feuchter Traum". (Foto: Stephan Röhl, www.stephan-roehl.de)

Wegen des nicht getrockneten Hopfens. Deshalb “Feuchter Traum”. (Foto: Stephan Röhl, www.stephan-roehl.de)

The post Scheiß auf das Schietwetter appeared first on Das Craft Beer Magazin.


“Ich will Nischen erobern”

$
0
0

Brauen hat Christian Hans Müller nie gelernt, aber Bier mag er. Reicht, um eine eigene Quasi-Brauerei zu eröffnen. Quasi, weil es die Brauerei bislang nur auf dem Papier gibt, tatsächlich gebraut wird bei Freunden. Aber irgendwann soll sich das ändern. Als erstes fällt bei Christian Hans Müllers Bieren das kuriose Wording auf: Clubbier, Bayerisch Nizza, Sommelierbrauerei. Wir fragen mal nach.

Du machst aktuell zwei „Sommelierbiere“. Was darf man sich denn darunter vorstellen?
Das sind Biere, die für die gehobene Gastronomie entwickelt wurden. Es sind erklärungsbedürftige Produkte, die der Gastgeber dem Kunden näher bringen muss.  Man kann vielleicht auch sagen, spezielles Bier von Sommelierhand für Sommelierhand.

Das dritte Bier hingegen heißt „Clubbier“. Bitte was ist das?
Das Clubbier konsumiert sich hingegen ohne große Erklärung. Dafür ist es im Club viel zu laut.
Ich wollte mit meinen Bieren Nischen erobern und nicht Mainstream sein, nicht das versuchen zu machen, was Fernsehbiere tun. Die bedeutendste Nische, die ich gesehen habe ist die gehobene Gastronomie. Viel zu oft gibt es hier einfach kein besonderes Bier und der Wein rückt damit meines Erachtens automatisch zu sehr in den Mittelpunkt. Also biete ich solchen Restaurants etwas mit den Sommelierbieren. Die zweite offene Nische waren die Bars und Clubs. Da habe ich immer das Problem gehabt, wenn ich ein Bier trinken wollte, blieb mir nur ein Fernsehbier für verdammt viel Geld. Das kann ich nicht genießen. Deshalb meine zweite Idee: Ein szenetaugliches Bier, das auch von der Erscheinung her in diesen Bereich passt, schmeckt und den Leuten Spaß macht.

Und das heißt „Bayerisch Nizza“. Im Ernst: Bayerisch Nizza?
Dazu gibt es zwei Geschichten: Zum einen haben wir es hier mit einem urbayerischen Bierstil zu tun. Obergärig auf Weizenmalzbasis – bayerischer geht’s nicht. Zum anderen hat das Bier vom Hopfenstopfen fast mediterrane Aromen, Früchte und Blüten, die an Nizza und die Côte d’Azur erinnern. Deshalb: Bayerisch Nizza. Und die zweite Geschichte: Weil unsere schöne Heimatstadt Aschaffenburg klimatisch so begünstigt liegt, haben wir hier ein ganz besonderes, auch wieder fast mediterranes Klima. Und König Ludwig I hat Gerüchten zufolge damals gesagt: Hier ist es so schön, so warm, hier scheint immer die Sonne – Aschaffenburg ist mein Bayerisch Nizza. Die Aschaffenburger sagen das immer noch.

Seit wann und warum machst du Bier?
2010 war die Idee da, 2012 habe ich die Firma als GmbH Gegründet. Ursprünglich komme ich aus einer ganz anderen Branche: Zahnmedizin. Aber nach dem Tod meines Vaters habe ich in unserer Familiengeschichte gewühlt und entdeckt, dass es da mal eine sehr erfolgreiche und namhafte Spirituosenfabrik gab. Das, dachte ich, kann man wiederbeleben. Als Brauerei. Sommelierbierbrauerei. Und ganz ehrlich: Ich bereue es, dass ich das nicht schon früher gemacht habe.

Wer macht dein Bier?
Ich habe aktuell zwei Partner, die für mich brauen, bis ich mir eine eigene Brauerei kaufen kann. Ich bin bei allen Brauschritten dabei und entwickle die Sachen alle selbst, aber weil ich das Handwerk nicht gelernt habe, brauche ich eben solche Partner. Trotzdem, auch wenn ich fast vierzig bin, heißt das nicht, dass ich nicht irgendwann doch noch alles selber braue – natürlich in meiner eigenen Brauerei.

 

Anfang November trafen sich Christian Hans Müller und Thorsten Schoppe in dessen nigelnagelneuer Brauerei Pfefferbräu in Berlin-Prenzlauer Berg, um ein Gemeinschaftsbier, ein “Collaboration Brew”, zu brauen. Die Idee ist von beiden zusammen, der 20-Liter-Probesud war gut, also machten die zwei sich an satte 600 Liter Russian Imperial Stout. Schwarz wie die Nacht und richtig, richtig fett sollte es werden. Ach ja, und der Clou: Wenn das Bier fertig ist wird es in einem Eichenfass reifen, zumindest ein Teil davon. Der wird dann mit dem Nicht-Fass-Teil cuvéetiert, so dass am Ende ein Oak Aged Russian Imperial Stout rauskommt. (Februar womöglich schon, rechtzeitig zur Braukunst Live in München.) 

Hopfenhelden durfte einmal mit in den Kessel schauen und präsentiert eine spektakuläre Momentaufnahme: Wie Bier beginnt.
Der Krawall im Hintergrund gehört so. So klingt einmaischen. 

 

 

The post “Ich will Nischen erobern” appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Alles fügt sich

$
0
0

Der Applaus, heißt es, ist das Brot des Künstler. Es heißt aber auch: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Ein bisschen Bier dazu darf’s schon sein, dachte sich der Berliner Künstler Johannes Heidenpeter, und braut sich sein eigenes

Der Künstler-slash-Brauer Johannes Heidenpeter an seinem Stand in der Markthalle Neun, Berlin-Kreuzberg (Foto: NAK)

Der Künstler-slash-Brauer Johannes Heidenpeter an seinem Stand in der Markthalle Neun, Berlin-Kreuzberg (Foto: NAK)

Das mit der Mütze, das ist irgendwie so gekommen, sagt Johannes Heidenpeter. Das war keine Absicht, die hat er nicht bewusst zu seinem Markenzeichen gemacht oder so. Trotzdem gehört sie jetzt dazu. Ist seine Brauermütze. Und er ist der Brauer mit der Mütze. Gekauft hat er die auf dem Winterfeldtmarkt in Berlin-Schöneberg, bei einer Frau, die eben solche Mützen aus alten Mehlsäcken macht. Achtzehnhundertirgendwas ist der Sack auf seinem Kopf. Und er hat mehrere davon. Irgendwie passen die super zu einem, der in einer 120 Jahre alten Markthalle Bier braut. Und der das Schöne am Bierbrauen die Tatsache findet, dass es ein so verdammt altes Ding ist. „Die Tätigkeit an sich – fast archaisch fühlt sich das an“, sagt Johannes Heidenpeter.

Johannes Heidenpeter mag das, wenn Dinge sich zusammenfügen. Wenn verschiedene Dinge gemeinsam zu einer ganzen, guten Sache werden. Story of his life, irgendwie. Das zog sich schon so durch seine Karriere als bildender Künstler. Ja, der Brauer ist eigentlich Künstler, Abschluss an der Kunsthochschule Berlin, diverse Ausstellungen, Kunststipendium, alles drum und dran. Und künstlerisch sind sein Ding Collagen. „Wichtig ist mir dabei immer, dass das alltägliche Sachen sind. Ein schönes Stück Holz, zum Beispiel, das ich auf der Straße gefunden habe, das sich irgendwann mit anderen Stücken zusammenfügt.“

Bier machen, sagt der Wahlberliner, funktioniere im Grunde genauso. „Man komponiert aus unterschiedlichen Zutaten ein gutes, ganzes Bier. Erst hat man den Malzkörper, dann fügt man den Hopfen dazu. Und wenn dann noch was fehlt, der Kick, dann packt man es eben in den Tank und ballert ein paar Früchte drauf.“

Man merkt schon: Johannes Heidenpeter geht das Brauen erfrischend unkonventionell an, so wie das oft gerade jene Leute tun, die es nie wirklich gelernt haben. Wie Heidenpeter. Vor vier Jahren hat er zufällig ein Englisches Porter getrunken. Von der Biobrauerei Nordsch in Bremen. „Das hat mich echt umgehauen“, sagt er. Bier – natürlich kannte er Bier, mochte er auch, aber das? Anders. Und geil. Hatte er noch nie so getrunken. Wollte er mehr darüber wissen. Noch am selben Abend googlet Johannes Heidenpeter ein bisschen rum. Und findet erstaunliches: Bier kann man selber brauen. „Ehrlich gesagt, war mir das bis dahin gar nicht so bewusst“, sagt er. „Ein paar Stunden später hatte ich ein erstes Buch bestellt, eine Woche danach mein erstes Bier gebraut.“ Das war ein IPA. „Als ich’s probiert habe, dachte ich noch, puh, ist schon ganz schön bitter.“ Er hatte ja keine Ahnung, was ein Pale Ale, was ein IPA ist. Geschmeckt hat’s im trotzdem.

Was dann geschah, ist quasi ein Craft Beer Klassiker: Heidenpeter braut zu Hause, lässt Freunde probieren, die sagen: Ist super! Er braut mehr, die jubeln mehr, und irgendwann ist der Gedanke an eine eigene Brauerei da. Ganz konkret kam ihm der, als er an einer alten Fleischerei in seinem Kiez vorbeigelaufen ist. „Drin war alles gefließt, sah toll aus, und plötzlich dachte ich: Da muss eine Brauerei rein.“ Als es mit dieser Location erst nichts wird, plant der Künstler eine mobile Brauerei. Einen Brew-Truck, quasi. Den wollte er bei den Prinzessinengärten in Kreuzberg, einem Urban-Gardening-Feld, aufstellen. Erst nachdem auch das nicht klappt, lernt er die Betreiber der Markthalle Neun kennen, einem Bio-Regio-Wochenmarkt-Besser-Esser-Projekt ebenfalls in Kreuzberg. Nachdem er die seine Biere probieren ließ, sagen die ganz schnell und einfach: „Mach!“

Heidenpeters3

„Mann, ich habe neulich wieder Bilder gesehen, wie das vor einem Jahr noch hier unten im Keller aussah“, sagt Johannes Heidenpeter, als er seine Brauerei zeigt, die eigentlich nicht viel mehr als eineinhalb Räume im Untergeschoss der Markthalle ist, voll gestellt mit nicht einmal mannshohen Braukesseln, jede Menge Schläuchen und einer winzigen, komplett von Hand zu bedienenden Abfüllmaschine. „Ganz schön schlimm. Da war halt dreißig Jahre lang nichts und davor war das eine Schlachterei, da wurde Fleisch geschnitten, geräuchert und gekocht.“ Mit 10.000 geliehen Euro von Freunden und einem bisschen Phantasie macht sich der Künstler an die Arbeit, wird Handwerker, baut, nein, improvisiert sich sein Sudhaus zusammen – nachts und an den Wochenenden vor allem, bis Juni diesen Jahres hat Heidenpeter nämlich noch einen „Geldverdiener-Job“, wie er sagt, in einer Galerie. Letzten Endes gibt aber sogar die Berliner Hygieneaufsicht ihr OK und Johannes Heidenpeter kann endlich anfangen sein eigenes Bier brauen. Mal mehr, mal weniger bis dato, künftig soll es aber auf jeden Fall mehr werden, 1200 bis 1500 Liter die Woche, die er sowohl an seinem kleinen Stand in der Markthalle als auch in der Flasche verkauft. Ja, doch, das mit Einzelhandel und Gastronomie, das geht los, aber: „Ich halte mich noch etwas bedeckt, denn ich will niemandem etwas zusagen, dass ich dann auf jeden Fall einhalten muss. Ich bin mit meiner Brauerei zum ersten Mal in meinem Leben ein total freier Mensch, ohne einen Chef, der mir sagt, was zu tun ist. Und das will ich erst einmal so beibehalten.“

Es hat sich alles irgendwie ziemlich gut zusammengefügt für Johannes Heidenpeter. So wie er es eben mag. Nur die Kunst kommt im Moment etwas kurz. „Manchmal fehlt sie mir“, sagt er, „nicht vehement, weil die Sache, die ich jetzt mache, Bierbrauen, für mich so nah dran ist. Aber ich merke schon, dass es sehr gut tut, ab und zu mal wieder einen Pinsel in die Hand zu nehmen. Und wenn es nur für ein paar Etikettenentwürfe ist. Ich spüre, dass gerade etwas nicht da ist, das sonst immer einen großen Teil in meinem Leben ausgemacht hat.“ Johannes Heidenpeter zupft seine Mütze zurecht. „Aber meine Idee ist schon, Kunst und Bier irgendwann wieder mehr zusammenzufügen. Nur Eile hat das nicht.“

In seiner selbst gezimmerten Brauerei (Foto: NAK)

In seiner selbst gezimmerten Brauerei (Foto: NAK)

The post Alles fügt sich appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Growler statt Dosenbier

$
0
0

Donald Burke leitet mit „The Bird“ Berlins berühmtesten Burgerladen – und wenn alles gut läuft, bald eine Craft Beer Bar. Wenn nicht, wird er im Sommer mit einem Eiswagen durch den Mauerpark fahren und gutes Bier verkaufen, sagt er

Donald Burke. Restaurantleiter, Bald-Barchef und vor allem: Kanadier! (Foto:NAK)

Donald Burke. Restaurantleiter, Bald-Barchef und vor allem: Kanadier! (Foto:NAK)

Donald Burke kommt aus Saskatoon, Saskatchewan. Das heißt: Donald Burke ist Kanadier! „Aller denken immer ich sei Amerikaner. Aber das ist schon OK“, sagt er und lächelt nachsichtig. Eigentlich tun ihm die armen Amerikaner fast ein bisschen leid. Dafür, dass sie keine Kanadier sind. „Es ist echt komisch, wie oft Leute mir erst irgendwie skeptisch begegnen, bis ich sage, dass ich Kanadier bin. Und die dann so: ‚Mann, sorry, das wusste ich nicht! Ich dachte, du bist Amerikaner!‘ Das lässt mir fast das Herz bluten. Ist doch nicht fair, dass alle mich mögen, nur weil ich von der anderen Seite der Grenze komme.“ Aber andererseits – was ist schon fair. Und Donald Burke ist Kanadier!

Donald Burke sitzt an einem Berliner Winternachmittag im Michelberger Hotel in Kreuzberg und zählt die Minuten rückwärts bis die Mikkeller Pop Up Bar hier für zwei Tage öffnet. Immerhin wenigstens mal zwei Tage eine Craft Beer Bar in Berlin. Wobei: Es ist ja nur noch eine Frage der Zeit, bis Donald Burke und sein Kompagnon Jonathan Cook ihre Craft Beer Bar in Berlin eröffnen werden. Der Name steht schon: Bar Sinister.

„Wir planen da so ein Bar und Bottle Shop-Konzept“, erzäht Donald und rückt das Trucker-Cap zurecht. „Mit Growler-Service.“ Fancy und schlau: Growler, große, nachfüllbare Glasflaschen, in der Regel eine halbe Gallone, also eineinhalb Liter, sind der letzte Schrei in der US-Craft Beer Szene. Weil man damit Frischgezapftes To-Go haben kann. Man bringt den Humpen zum Barmann des Vertrauens, lässt ihn vollmachen und haut sich dann damit daheim vor dem Fernseher oder whatever. Und so hat sich Donald Burke das auch ausgedacht: „Berlin im Sommer: Alle wollen im Park trinken. Ist doch so. Ein Alptraum für die hiesige Barszene“, erklärt er. „Meine Vorstellung ist deshalb, in der Nähe des Mauerparks zu eröffnen, so dass die Leute dann ihren Growler am Hahn füllen lassen und damit in den Park gehen können. Das wiederum wäre auch eine tolle Werbung für uns: Was meinst du wie die anderen da schauen, wenn jemand mit so einer Riesenflaschen da rum liegt. Die werden alle fragen: Was ist das? Wo habt ihr das her?“ Für den Fall, dass es mit der Location in Parknähe nichts wird – die Berliner Mieten seien in der letzten Zeit so fürchterlich fies gestiegen, sagt er – hat Donald auch schon einen Plan B: „Dann kaufe ich mir eine Art Eiswagen, packe Bier rein und fahre damit durch den Park.“ Bis die Gewerbeaufsicht kommt, das Ordnungsamt oder wer sonst auch immer im wohlregulierten Deutschland da etwas dagegen hat.

Donald Burke weiß natürlich, dass er nicht der Einzige mit der Craft-Beer-Bar-Idee hier in Berlin ist. Dass Brew Dog beispielsweise mit einer eigenen Bar startklar ist. Er wischt mit den Fingern über seine Brew Dog-Handyschale und lächelt sehr kanadisch, also nett: „Überhaupt kein Problem für mich. Im Gegenteil: Ich glaube sogar, wenn es nur eine Craft Beer Bar in Berlin gäbe, wäre die zum Scheitern verurteilt. Es muss Auswahl geben. Außerdem haben James Watt (Brew Dog CEO, Anm.d.Red.) und ich auch schon gesprochen und wir sind uns einig, dass wir einander brauchen, um in dieser Stadt erfolgreich zu sein.“ Und was hätte Watt auch anderes sagen können: Donald Burke ist schließlich Kanadier!

Im Ernst: Das mit der Bar Sinister, das wird schon klappen. Immerhin ist Donald Burke ja nicht nur Kanadier, sondern auch ein Mann mit Erfahrung: Mit The Bird leitet er den vermutlich berühmtesten Burgerladen der Hauptstadt. Steht im Lonely Planet und gilt als Expat-Hotspot, ohne Reservierung geht da nichts und selbst an Sonntag Nachmittagen um halb drei ist der Laden bummsvoll und alle essen Burger.  Und trinken Bier. Ein bisschen Craft Beer – „Wir haben mit La Chouffe angefangen, dann kamen Anchor Steam und später Brooklyn dazu. Das alles verkaufen wir besser als Astra und Corona aus der Flasche.“ – aber auch Bier-Bier. Über dem Eingang hängt ein Krombacher-Schild. „Als die Macher mit The Bird anfingen, hatten sie einfach kein Geld“, erzählt Donald. „Und dann haben sie es gemacht, wie man es in Deutschland halt macht, wenn man ein Restaurant aufmacht: Statt zur Bank sind sie zur Brauerei gegangen.“ Kein anderer Laden in Berlin verkauft mittlerweile mehr Krombacher als „The Bird“. „Craft Beer hat daran gar nichts geändert. Die anderen Flaschenbiere, die gehen nicht mehr. Aber es gibt immer genug Leute, die einfach „ein Bier“ bestellen“, sagt Donald. Findet er im Übrigen ganz erstaunlich, dass ausgerechnet in Deutschland, dem Bierland, Leute an die Bar kommen und sagen: „Ein Bier, bitte.“ No matter what, Bier halt.

Vor diesem Hintergrund allerdings wundert es Donald Burke, der die ganzen Entwicklungen im Bierbereich ja aus den Augen eines Fremden sehen kann, nicht, dass Deutschland in Sachen Craft Beer so weit zurück liegt. Deutsche Brauer sind einfach im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte eingeschlafen, haben alles Neue verschnarcht. „Deutsches Bier ist im internationalen Vergleich längst nicht mehr vorne dabei“, sagt er. Zeit zu handeln: „Nehmen wir mal an, Kanada würde anfangen Autos zu bauen und wird dank neuer Technologien und innovativer Ideen damit Weltmarktführer. Ich bin ziemlich sicher, dass die deutsche Autoindustrie da schnell handeln würde. Und genau das müssen die deutschen Brauer auch.“  Eigentlich sei ja alles da, das Knowhow, das Equipment. Nur das Mindset der deutschen Brauer stimme halt nicht. Noch nicht.

Donald Burke 1

Donald Burke, 29, bildet sich weiter. (Foto: privat)

The post Growler statt Dosenbier appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Aus der Bierhauptstadt Berlin

$
0
0

Eine Ode an die Spreemetropole bei der aktuellen Revolution im Brauwesen des Landes

„Du bist verrück mein Kind, du musst nach Berlin. Wo die verrückten sind, da gehörst du hin!“ so inspirierte der Operettenkomponist Franz von Suppé am Ende des 19. Jahrhunderts die Sehnsucht nach der pulsierenden Metropole.
Damals war auch der Bierdurst der Hauptstädter immens. Eine dreistellige Anzahl von Braustätten ist beurkundet und den größten Biergarten des Landes betrieb die Bötzow Brauerei im Prenzlauer Berg. Die Eckkneipe bildete den Wohnzimmerersatz, Molle und Korn lautete die typische Bestellung und in eine Berliner Weisse kam ein ordentlicher Kümmelschnaps, kein lächerlicher Sirup.

Hundert Jahre später entpuppt Berlin sich als idealer Ort für Bierverrückte, die nach Jahren des Brauereisterbens und der Reduzierung jeglicher Biervielfalt endlich frischen Wind erleben dürfen. Ein Wind, der ziemlich kräftig und erfrischend weht. Crazy.
Neulich in Berlin-Friedrichshain: Ein kleines Nebenzimmer des Michelberger Hotels platzt an zwei Abenden aus allen Nähten, weil dort Santas Little Helper, Brunch Weasel und der American Dream Einzug halten. Biere der dänischen Kult-Brauerei Mikkeller sind im Ausschank und die Beer-Community sorgt dafür, dass die Zapfhähne glühen. Neulich in Berlin-Prenzlauer Berg: Im belgischen Pier Pub „Herman“ präsentieren drei Brauereien aus der Hauptstadt ihre Inspiration eines Braustils aus Belgien. Der Beitrag der Vagabund-Brauerei ist nach kurzer Zeit leer getrunken. Neulich in Berlin-Moabit: Im Berlin Beer Shop findet wieder einmal eine anspruchsvolle Bier Raritäten Verkostung statt. Dicht um den Probiertresen gedrängt, erleben die Gäste eine gewohnt köstliche und ausverkaufte Veranstaltung.

Was haben die Veranstaltungen gemeinsam? Es wird sehr viel Englisch gesprochen. Berlin hat den großen Vorteil, dass Leute aus allen Ecken der Welt die Stadt bevölkern. Genießer, die bereits Erfahrung haben mit dem Phänomen Craft Beer, denen es nicht komplett neu erklärt werden muss und die es zu schätzen wissen. Es gibt eine Gruppierung die hilft dabei, die teilweise skeptischen Einheimischen mit den neuen Gebräuen in Berührung zu bringen. Ihre Offenheit und Kaufkraft ist womöglich ein wichtiger Faktor für die Bier-Start-ups, die in der Hauptstadt derzeit in den Startlöchern stehen. Berlin freut sich auf die nächsten Bierprojekte auf der Skala von Möglich bis Unbedingt: Brooklyn Brewery, Brew Dog Pub, Bar Sinister, neue Restaurants, Bars und Bierläden.
Viele der Projekte stammen aus der Feder von Expats und aus der Welt, die Berlin beobachtet und womöglich einen offenen, kosmopolitischen und zunehmend genussfreudigen Menschenschlag von Zugezogenen und Einheimischen beobachten.

Was engagierte Brauer überall in der Republik, beispielsweise in Bad Rappenau, Bonn, Michelstadt oder Oberelsbach begonnen haben, findet mit Berlin womöglich einen großartigen Ort, um die Kräfte zu bündeln und die Nachricht zu verbreiten, was für ein geniales Genussmittel Bier sein kann. Viel mehr, als nur ein Durstlöscher.

Die internationalen Berliner helfen uns dabei. Egal, ob sie aus USA, Irland, Belgien, Skandinavien oder Brasilien kommen, sie sind den deutschen Biertrinkern meist ein paar Flaschen, ein paar Sude voraus. Sie sind gelassener. Sie nehmen zur Kenntnis, dass viele der Deutschen Craft Biere im Rennen um das hässlichste Etikett hohe Siegchancen hätten. Sie wundern sich, wie wenig Lifestyle-Schwingungen die Brauereien in ihre Kommunikation und ihren Markenauftritt einbinden (womöglich mit Ausnahme der Crew Republic). Sie wissen, ein gutes Pils zu schätzen und ein schlechtes IPA zu verdammen.

Die Deutschen sind dabei zuweilen so borniert. Teile der Craft Beer Szene wirken wie eine rebellische, verbohrte Subkultur, eine Bier-Taliban mit gefletschten Zähnen und dem Kampfschrei: „Alles Pils ist böse“. Und noch wird jedes neue IPA oder Imperial Stout eines einheimischen Brauers bejubelt, unabhängig von dessen Qualität. Sektengleich scharen sich die Jünger, um die weit gereisten Flaschen von Stone Brewing zu verehren oder Pliny the Elder zu huldigen. Dazu murmeln sie das Mantra von David gegen Goliath, Gut gegen Böse. Craft gegen Industrie: „Dieses Bier muss schlecht sein, es stammt ja von einem der Großen. Dieses Bier muss toll sein, es braute schließlich Einer von UNS.“

Wie bemerkte kürzlich ein Bierexperte und Kenner der aktuellen Craft-Szene? „Es war noch nie so preiswert, ein Snob zu sein.“

Wann schafft Craft Brewing den Durchbruch in Deutschland? Ein paar Probsude mehr, um den Vorsprung der internationalen Craft Brewer aufzuholen? Ein etwas coolerer Markenauftritt, der einem hervorragenden Produkt zudem eine Ansprechende Aura verleiht? Etwas mehr Respekt vor dem femininen Gaumen? Die Bierwerbung ignoriert seit Jahren die Weiblichkeit als anspruchsvolle Konsumenten und instrumentalisiert die Damen der Schöpfung meist lediglich als das, was Werber als „Tits & Ass“ bezeichnen. Wie unzeitgemäß.

Dazu vielleicht ein bisschen mehr Punk und Lifestyle, etwas weniger Lederhose und Dirndl?
Wenn die Restaurants endlich auf Biervielfalt setzen und ihre Mitarbeiter dahingehend fortbilden, Essen und Bier zu kombinieren und entsprechend zu empfehlen? Ein paar Orten, auch in Berlin, gelingt das immerhin bereits.

Bleiben wir gelassen und freuen uns über die wachsende Biervielfalt. Bleiben wir positiv verrückte Bierliebhaber. Aus Deutschland und der Welt. Um bestes Biertrinken in Berlin müssen wir uns jedenfalls zunächst keine Sorgen machen. Let´s get crazy. Cheers & Prost aus dem Dicken B.

Autorenfoto Peter Eichhorn

Der Autor Peter Eichhorn beschäftigt sich mit den schönen Dingen: gutes Essen, Schnaps und vor allem Bier. Über letzteres hat er ein sehr lesenswertes Buch geschrieben: “Von Ale bis Zwickel – Das ABC des Bieres”. (Foto: privat)

The post Aus der Bierhauptstadt Berlin appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Statt Yogaschule oder so Kram

$
0
0

Martin Schupeta und Natalie Warneke schmissen ihre soliden Schreibtisch-Kostüm-und-Krawatten-Jobs hin und brauen jetzt Bier. Ernsthaft. Um es zu verkaufen und irgendwann davon zu leben.

Natalie Warneke und Martin H.-M. Schupeta. Früher Managerin im Modebusiness und Banker - jetzt Brauer. (Foto: NAK)

Natalie Warneke und Martin H.-M. Schupeta. Früher Managerin im Modebusiness und Banker – jetzt Brauer. (Foto: NAK)

Das Schlimmste, was passieren kann, ist dass Martin Schupeta bei irgendeiner Hamburger Bank anrufen und fragen muss, ob sie nicht einen Job für ihn haben, in dem er irgendwelchen Mittelständlern Anlagezeug verkaufen kann. Darin ist er nämlich ganz gut. Nur hat er eigentlich keine Lust mehr darauf. Darum wäre das nur der Notfallfallplan, das Schlimmste eben, was passieren kann, wenn das mit dem eigenen Bier nicht klappt. Dann würde der Banker in seinen alten Job zurück. Eine Ecke unglücklicher wäre er dann vielleicht, aber sonst? Kein Ding. Insofern: „Ich habe so etwas wie Zukunftsangst einfach nicht“, sagt Schupeta und lächelt ganz fest und breitest überzeugt.

Von der anderen Seite des Tisches strahlt ihn seine Freundin Natalie Warneke voller Bestätigung an. Sie nämlich auch nicht. Und außerdem: „Ich glaube wirklich, dass das klappen wird.“ Jede Woche passiere so viel und das Feedback, dass das Paar zu seinem Bier bekommt, ist schlichtweg gut. Deswegen hat auch sie ohne viel Angst und Zaudern im Sommer ihre Stelle bei Tom Tailor als Textil- und Bekleidungsmanagerin gekündigt. Um Brauerin zu werden.

Brauerin… – natürlich: Niemand sagt, dass man zum Craft Beer Brauen Vollbart, Brauerei-T-Shirt und mindestens ein, besser 15 Tattoos auf den Unterarmen braucht. Aber Schupeta und Warneke – Brauer? In hundert Jahren würde man das nicht raten. So auf den ersten Blick. Normalerweise, würde man annehmen, so auf den ersten Blick, werden Menschen wie Warneke, 31, und Schupeta, 35, wenn sie ihren Job hinschmeißen,  Yogalehrer. Oder sie gründen eine Surfschule in Costa Rica. Und verlegen ein Magazin. Oder so. Zeug, das Leute, die auf den ersten Blick eben so aussehen, machen, wenn sie ihrer Passion folgen. Dabei hat das Pärchen ja auch genau das gemacht: „Wir kochen und essen leidenschaftlich gern“, erklären sie. So richtig. Aufwändig. Ganze Samstage lang vorbereiten und 12 Stunden slowroasten und Pommes selber schnitzen und so. „Wir achten dabei auch sehr darauf, was wir essen. Das soll gute Qualität sein und keine Zusatzstoffe haben.“

Eine kritische ZDF-Dokumentation über deutsches Bier und das olle Reinheitsgebot erschreckte die beiden Besser-Esser: Wie jetzt? Hopfenextrakt? Polyvinylpyrrolidon? Farbebiere? Klingt alles irgendwie nicht so geil. Aus Trotz sagten sie sich: Das können wir selber besser, wir brauen unser eigenes Bier. Erst im großen Entsafter auf dem Herd, dann mit dem 20-Liter-„Braumeister“. Ziemlich erstzunehmendes Hobbybrauer-Equipment. Als sie den gekauft hatten, war irgendwie klar: „Das Hobby hat sich irgendwie verselbstständigt.“ Im Sommer 2013 beschlossen Natalie und Martin ganz und gar Ernst zu machen, im Oktober verkauften sie ihr erstes Bier – auf dem Wochenmarkt und in handverlesenen Hamburger Läden und Bars. „Das muss schon ein schönes Umfeld sein“, sagt Natalie. „Und unser Bier muss da erklärt werden.“

„Wir wollen vieles anders machen”, erklärt Martin. “Auch bei Name, Webseite und Logo. Wir haben zu unserer Designerin gesagt: Entwirf etwas, das nicht nach Bier aussieht.“ Also nicht Lager-gelb, braun oder beige,  keine alte Schrift und kein stolzgeschwelltbrüstiger Slogan wie „Gebraut seit 1617“ oder so.  Raus kam: „Von Freunde“. Mit einem „O“ aus blauen Bubbles. Könnte auch für eine PR-Agentur oder Kindermode stehen. Bezeichnet aber Bier. Ales, vor allem. „Viel Freestyle“, sagt Martin, „vom Malz her eher klassisch-deutsch, amerikanischer Hopfen, Hefe aus der belgischen Richtung.“ Entwickelt, gebraut und abgefüllt in der Wohnung-Slash-Versuchsbrauerei-Slash-Verwalrung-Slash-Lagerhalle der beiden Macher. „Wir mussten schon einen zusätzlichen Kühlschrank anschaffen“, sagt Natalie.

Aber auch so ein zusätzlicher Kühlschrank ist ja eigentlich kein Ding. Das Schlimm-Beste, das passieren kann, wenn man ein Hobby zum Beruf macht, ist, dass man irgendwann keine Freizeit mehr hat. Weil die Grenzen anfangen zu fließen. Und dann noch als Paar… – „Wir merken schon, dass wir eigentlich ständig über Bier sprechen“, sagt Natalie. „Und auch wenn jeder Tag anders ist, arbeiten wir in Summe jetzt schon auch mehr als in unseren alten Jobs. Aber dafür auch mit viel mehr Spaß.“ Mit mehr Freude, so zu sagen.

The post Statt Yogaschule oder so Kram appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Die Neuneustarter

$
0
0

Mit fünf Mann ist Crew Republic für die Craft Beer Szene ein stattliches Unternehmen. Breites Sortiment, schickes Design, amerikanischer Braumeister – alles da. Nur eine Winzigkeit fehlt den Münchnern noch: die eigene Brauerei

Vier Fünftel der Crew: Richard Hodges, Manuel Schulz, Jan Hrdlicka, Timm Schnigula (v.l.n.r.; Foto: NAK)

Vier Fünftel der Crew in ihrer Republiks-Uniform: Richard Hodges, Manuel Schulz, Jan Hrdlicka, Timm Schnigula (v.l.n.r.; Foto: NAK)

Wie nett: Die ganze Firma tritt an zum Interviewtermin in der Goldenen Bar im Haus der Kunst, München. Also: fast. Eigentlich sind sie Fünf, jetzt sitzen sie hier zu viert. Gestatten: der Timm, der Jan, der Manuel und der Richie. Zusammen Crew Republic. The Craft Brewery formely knowns as Crew Ale Werkstatt. Aber: Wieso das eigentlich?

Vor zwei Jahren gründeten Timm Schnigula und Mario Hanel in München eine Biermarke. Beide hatten zusammen nach dem BWL-Studium bei einer Unternehmensberatung gearbeitet. Weil sie irgendwann keine Lust mehr hatten auf Meilen sammeln, Manschettenknöpfe und den ganzen Rest ihres Businessffuzzidaseins, schmissen sie den sicheren, gut bezahlen Job hin. Sie belegten ein paar Brauerkurse und begannen schließlich etwas zu machen, das ihnen wirklich, echt und von Herzen Spaß brachte: Bier. Craft Beer. Und das verkaufte sich auch recht gut. Soweit also eigentlich eine runde Geschichte.

Im Sommer vergangenen Jahres bauten Schnigula und Hanel ihre kleine Firma aber komplett um. Sie hübschten ihr Corporate Design ordentlich auf und stellten neue Leute ein, viele für ein so kleines Unternehmen, einen Mann für Marketing, einen Salesprofi und einen echten Braumeister. Aus den USA sogar. Sie verbreiterten die Produktpalette und wagten einen neuen, anderen Namen. Aus der Crew Ale Werkstatt wurde die Crew Republic. Der erste echte Relaunch in der jungen deutschen Craft Beer Szene.

„Zum einen hatten wir festgestellt, dass es ein bisschen verwirrend war: Hießen wir Crew Ale oder Ale Werkstatt und wie hieß eigentlich unser Bier?“ erklärt Schnigula, der Ex-Berater. „Also dachten wir, das sollten wir glatt ziehen. Und das Design verbessern. Das war am Anfang etwas hemdsärmelig gemacht worden.“ Der Crew war klar, dass sie sich mit den Änderungen beeilen mussten. „Auch wenn wir noch jung waren, irgendwie war Crew Ale doch schon ein Begriff. Also wollten wir einen Teil davon beibehalten.“ Das „Ale“ sei dabei der eher weniger geeignete Teil gewesen: „Zum einen bringen viele Deutsche Ale automatisch mit dem britischen Real Ale, also schalem, warmen Bier, in Verbindung. Zum anderen haben wir uns selbst damit in unserer Weiterentwicklung eingeschränkt.“ Logisch: Wenn jemand Ale Werkstatt heißt, kann der schlecht auch mal untergärige Biere machen.

Jetzt in der Crew Republic geht das alles und noch viel mehr – wenngleich vielleicht noch nicht ganz so viel, wie der Richie gerne würde: „Das Imperial Stout und der Barley Wine sind ein Anfang. Aber man könnte noch mehr Extremes machen“, sagt er. Auf Deutsch. Gutem Deutsch. Das hat der Mann aus Viginia extra für seine Braukarriere in Germany gelernt. Obwohl er ursprünglich gar nicht Brauer werden wollte, wie er erzählt. Er hat an der Uni nur so ein bisschen hobbymäßig gebraut und dass er da in eine Privatbrauerei reingerutscht war… – Zufall!  Erst dann dachte er sich, macht er’s doch gleich gescheit und kam nach Bayern um seinen Meisterbrief zu machen.

Wenn der Richie so über Bier redet, wirkt er ein bisschen wie ein virtuoser Surfer bei Flaute: voller Begeisterung, total im Thema, Augen weit offen, aus vollstem Herzen, on fire – aber kann halt noch nicht. Ja, ja, der deutsche Markt, der ja noch jung ist, der deutsche Geschmack, der sich erst entwickeln muss und den man nicht mit zu krassen Bieren überrollen darf – das ist das eine. Das andere ist, dass der Richie einfach noch keine Brauerei hat, in der er so kongenial schalten und walten kann, wie er gern würde.

Als Hanel und Schnigula anfingen, hatten sie eigentlich direkt die eigene Brauerei im Sinn. „Da haben uns die Banken allerdings schnell einen Strich durch die Rechnung gemacht“, sagt Timm. Das wollte ihnen keiner finanzieren. Also braut die Crew seitjeher gypsie-style in einer Brauerei nahe Landshut,  zwei Tage die Woche. Mordsfahrerei. Und irgendwie nicht dasselbe.
Seit einiger Zeit ist ein weiterer Investor an Bord, ein Hopfenhändler. Mit dem steht die Finanzierung der eigenen Brauerei, 20 bis 60 Hektoliter-Sudhaus – nur hakt es jetzt irgendwie an der Location. Seit Anfang letzten Jahres suchen sie. Aber in München sei das einfach schwierig. „Erst hatten wir ja sogar noch romantische Vorstellungen, dass es auch schön sein muss. Inzwischen sind wie froh über vier Wände und ein Dach, wo es nicht reinregnet“, sagt Timm. Dem Richie wäre vielleicht sogar das Wurst: Der freut sich nur, das sagt er immer wieder, echt sehr darauf, wenn es endlich soweit ist. Und die Crew Republic ein Stückchen Land ihr eigenen nennt.

The post Die Neuneustarter appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Herz und Hirn

$
0
0

Mit der Braukunst Live hat Frank Böer das wohl wichtigste Event der jungen deutschen Craft Beer Szene ins Leben gerufen. Und warum? Weil er ein Aficionado ist, der für gute Getränke brennt. Und Geschäftsmann.

Sehr zum Wohle: Frank Böer auf seiner Veranstaltung (Foto: Jörg Mette/PR)

Sehr zum Wohle: Frank Böer auf seiner Veranstaltung (Foto: Jörg Mette/PR)

Eigentlich ist Frank Böer ein bisschen wie sein Münchner Büro: So und so. Zum einen ist das Büro ein Büro: Schreibtische, PCs, Regale voller Ordner. Zum anderen ist es aber auch eine Art Männer-Wohnzimmer: Box Sack, Feuerstelle, Ledercouchen und ein ganzer Kühlschrank voller Bier. „Wir haben auch Whisky, alle möglichen Sorten, was du magst – alles da“, sagt Böer als er sich in der Quasi-Chill-Out-Lounge, einer selbstgebauten Galerie, setzt und  eine Zigarette anzündet. Es ist halb Sieben, für die meisten Feierabend. Unten fährt Böers Lebensgefährtin gerade den Rechner hoch und fängt an, zu arbeiten. Nach ihrem Day-Job als Controlerin managt sie nachts Böers Buchhaltung. Er wisse sehr wohl, was er dieser, „seiner Lady“ alles zu verdanken habe, sagt Frank Böer ganz zärtlich für so einen Biker-Typen.

So und so eben: Wenn man mit Frank Böer über seine Unternehmen spricht, klingt er einerseits zurecht stolz auf seinen Erfolg, andererseits ist er auch wahnsinnig bescheiden. Einerseits brennt Böer für die Produkte, die er vertritt, gutes Bier und hochwertige Spirituosen, anderseits sagt er aber schon auch ehrlich, dass es ihm durchaus um das Geschäft mit beidem geht. „Mein Ziel ist, dass, wenn die Bierszene in zehn Jahren zurückschaut, sie über mich sagt, dass meine Veranstaltung einen ganz entscheidenden Beitrag geleistete hat zum Aufbau eines Spezialitätenmarktes. Nicht nur einer Kultur, sondern eines Marktes.“

In diesem Jahr veranstaltet Frank Böer zum dritten Mal die Braukunst Live, die – das kann man wohl so sagen, auch ohne das empirisch an irgendetwas festmachen zu können – wichtigste Verbrauchermesser, wenn nicht überhaupt das wichtigste Event, für die deutsche Craft Beer Szene. Drei Tage lang treffen sich in München nahezu alle deutschen Craft Beer Macher plus etliche Brauer aus dem Ausland und stellen ihre Biere vor: Leuten aus der Gastro, der Branche und vor allem Leuten, die ihr Craft Beer mögen. Oder gerade anfangen, sich dafür zu interessieren.

Eigentlich hat Böer Politik an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert, war dann ein paar Jahre Unternehmensberater. 2008 gründete er die Finest Spirits, ein Premium-Spirituosenfestival. „Jim Murray, der Papst der Whisky-Szene, hat 2009 zu mir gesagt: ‚In fünf Jahren machst du mehr als eine Veranstaltung.‘ Ich wusste aber nie so genau, wie. Nur, dass das gut wäre. Denn bis dato hatte ich nur ein Festival und damit  ‚all eggs in one basket‘ – was immer gefährlich ist“, sagt Böer, der Unternehmer, auf der einen Seite, Ehrenmitglied der Scotch Malt Whisky Society auf der anderen Seite.

Biermesse3

So schaut’s aus: Bilder von der Braukunst Live 2013 (Fotos: Stefan Peters)

Die Lösung für diese Frage fand er unverhofft. Auch wenn sich das jetzt vielleicht „Scheiß marketingmäßig“ anhört, sagt er: „Im August 2010 bin ich auf dem Weg zu einem Geschäftstermin vom Gärtnerplatz zum Viktualienmarkt gegangen und sehe die Leute im Biergarten da mit ihren Maßen sitzen. Da hat es mich wie ein Blitz getroffen: Eine Finest Spirits – für Bier! Ein reines Verkostungsfestival – für Bier!“ Nach einem bisschen Rumgooglen und Weiterdenken wurde Böer plötzlich klar, dass er „einen Goldbarren“ gefunden hatte, „der an einem verkaufsoffenen Samstag mitten in der Münchner Fußgängerzone lag, aber keine hebt ihn auf.“ Eigentlich sei es ja nur logisch gewesen, eine solche Veranstaltung zu machen. Es gibt Spezialitätenfestivals für Käse, Schokolade, Wein – aber nicht für Bier? In München? Welthauptstadt und so weiter?

Im März 2011 fand die Braukunst Live zum ersten Mal in München statt. Damals habe er schon viel, beim zweiten Mal 2012 noch viel mehr richtig gemacht, sagt Böer. Der gehobene Eintrittspreis (20 Euro/Tag), die Degustationsgläser, Bier in 0,1l auszuschenken – alles um die Freibierfraktion draußen zu halten und die Gäste zu locken, die sich wirklich für das Produkt und seine Vielfalt interessieren. „Ich will ja Leute, die fünfzehn, zwanzig verschiedene Biere probieren und nicht nach drei satt oder gar betrunken nach Hause gehen!“ Welches Publikum kommt, könne man auch mit Werbung und durch die richtigen Kommunikationskanäle steuern. Denn die äußere „Verpackung” einer Veranstaltung sendet bestimmte „Vibes“ aus, die ein bestimmtes Publikum ansprechen. „Unser Key-Visual zum Beispiel – manche sagen ‚der Guttenberg’ – der sendet ein emotionales Signal. Das spricht auch einige nicht an.“

Er hat es geschafft, große und kleine Brauer in einen Raum zu bringen, das Timing hat gepasst, Deutschland wurde gerade reif für die neue Bierbewegung. „Und in genau dieser Situation ist offensichtlich dann der richtige Typ mit dem richtigen Background angetreten: Ich habe mir mit der Finest Spirits  meine Schulterklappen verdient und ich bin nicht aus dem Bierbereich: Hätte ich bei einer kleinen Brauerei gelernt, hätten die großen mich wahrscheinlich gar nicht ernst genommen, hätte ich bei einer großen gelernt, hätten die kleinen nicht mit mir geredet. Aber so kam da einer aus dem nirgendwo, der für so ein Projekt genau die richtige Erfahrung hatte.“

Beim zweiten Mal sei es „unendlich viel leichter“ gewesen, Aussteller zu gewinnen, die wiederum von sich aus für die Veranstaltung geworben haben. „Wir haben sehr begrenzte Werbemittel – und das hat unsere Reichweite sehr verlängert“-  und die Veranstaltung profitabler gemacht, sagt Böer. „Jetzt sind wir im grünen Bereich. Finanziell. Aber wir sind immer noch wie ein alter Amischlitten, der 25 Liter Super auf 100 km braucht und den wir jetzt auf 5 Liter runterbringen müssen. Doch genau darin liegt eben jetzt mein Job und meine Kunst.“ Frank Böer zündet sich noch eine Zigarette an, unten hört man „die Lady“ leise tippen. Der Unternehmer lächelt. „Die betriebswirtschaftliche Seite einer Spezialitätenveranstaltung mit ihren begrenzten Budgets ist immer so eine interne Sache, die den Veranstalter morgens um Drei wenn er nicht schlafen kann in seinem Herzen und seinem Kopf bewegt.“ Vordergründig und bei Tag geht es auf der Braukunst Live vor allem um eins: gutes Bier. Auch in diesem Jahr.

Und so schaut's auch aus: Braukunst Live 2013. (Fotos: Stefan Peters)

Und so schaut’s auch aus: Braukunst Live 2013. (Fotos: Stefan Peters)

The post Herz und Hirn appeared first on Das Craft Beer Magazin.


Der feine Unterschied

$
0
0

Mit dem Braukunstkeller war Alexander Himburg einer der ersten deutschen Craft Brewer.  Statt sich seither von dunkel nach hell, über Stout, Sauerbier und Gose quer durch die Bierbreite zu brauen, setzt der Hesse eher aufs Detail.

 Alexander Himburg (Foto: Stefan Peters)

Mann mit Denkerstirn: Alexander Himburg macht sich viele Gedanken über die Feinheiten seiner Biere (Foto: Stefan Peters)

Der Braumeister begrüßt mit Küsschen. Die Mädchen. Eins rechts. Eins links? Bitte, auch das. „Manche wollen auch drei“, sagt er. „Aber das sind meistens die Älteren.“ Er grinst. Ha! Zwei Punkt fürs Brauer-mit-Charme-Konto. Und jetzt ein Bier, bitte. Denn dafür ist Alexander Himburg noch viel berüchtigter. Weit über den Odenwald hinaus. Der 33-jährige Hesse braut ganz außergewöhnliches Bier. Betörend. Sagen manche. Nicht nur Mädchen, wohlgemerkt.

„Meine vier ‚Standard‘-Biere sind extrem“, erklärt er. „Eines ist recht süß, eins sehr herb, eins ist sehr fruchtig und eins ist eben auch sehr normal, sehr ausgewogen.“ Und das, obwohl wir hier eigentlich drei Mal vom gleichen Bier reden. Drei IPAs macht er serienmäßig plus ein Pale Ale. Der große Unterschied steckt im Detail, in den Zutaten. Über die wird der Chameur zum Feingeist. Er kann dazu richtig philosophieren.

Stichwort: Terroir

Zum Beispiel erzählt Alexander Himburg, wie sehr er daran glaubt, dass die Bedeutung von „Terroir“ beim Hopfen in Zukunft eine große Rolle spielen wird. „Irgendwann wird man Aromahopfen genauso selektiv auswählen können wie Rebsorten. Wie beim Wein wird es die gleiche Sorte von verschiedenen Hanglagen und unterschiedlichen Böden geben. Das wird ein großes Thema. Ist momentan noch niemand dran. Selbst die meisten Hopfenpflanzer wissen noch nichts davon.“ Er will sich dieses Jahr mal dahinterklemmen und ein Bier mit derselben Hopfensorte aus verschiedenen Böden einbrauen. Und er ist sicher, dass man den Unterschied schmecken wird. Deutlich.

Seine  „Wood Kollektion“ war auch so eine Detail-Liebe-Sache: Dafür hat er vor einiger Zeit ein und dasselbe Bier, ein Red IPA, eine Woche lang mit je unterschiedlichen Woodchips lagern lassen. Raus kamen fünf ziemlich unterschiedliche Biere mit ihren jeweils speziellen Noten von Akazie, Kirschbaum, Buche, Sandelholz und Maulbeerbaum. Demnächst plant Alex eine “Single Barrel Kollektion”. Die leeren Fässer sind gerade in seiner Brauerei in Michelstadt angekommen: amerikanischer Whisky, schottischer, ein Tequila-Fass, Rotwein, Rum, ein Blend.

Anderes Stichwort: Dosenbier

Michelstadt. Fachwerk-Postkarten-Beauty in Südhessen, ungefähr gleich weit weg von Frankfurt, Mannheim und Darmstadt. Da ist Alexander Himburg aufgewachsen. Hat Abi an einem Gymnasium mit ernährungswissenschaftlicher Ausrichtung gemacht, Bio und Chemie Leistungskurs. Danach fing er an, Biologie zu studieren. Zwei Semester. „War nicht so mein Ding. Ich hatte das Gefühl, dass ich dabei überhaupt nichts praktisch lerne.“ Lieber wollte er etwas mit seinen eigenen Händen herstellen, sagt er. Die Brauerlehre war eine Idee, die nach dem Ausschlussprinzip entstand. Wenn also nicht das Studium, was dann? „Bierbrauer war da noch der coolste Beruf.“

Ausbildungsplatz in einer großen, industriell arbeitenden Brauerei fand er schnell, die Erkenntnis, dass das auch nicht das war, was er suchte, auch: „Am ersten Tag sind wir sechs Azubis nach der Arbeit in die Tankstelle gegenüber und haben uns eine Dose Bier von unserer Brauerei gekauft, haben angestoßen, einen Schluck genommen und uns alle erstmal blöd angeschaut: So, das machen wir jetzt also die nächsten drei Jahre.“ Von Terroir und Holzveredelung konnte da mal so gar keine Rede sein.

Das kam dann alles später, 2012, als der Alex anfing, auf der 300-Liter-Anlage eines Nachbarn sein eigenes Bier zu brauen und zu verkaufen. Es folgten harte Monate mit den längsten Brautagen ever, an denen er drei Sude hintereinander weg braute. Im Sommer 2013 ergab sich dann eine etwas bequemere Lösung: Seitdem braut Alex in der deutlich größeren Michelstädter Brauerei.  Alteingesessenes, mittelständisches Unternehmen, eigentlich, dessen neuer Pächter aber ein moderner Mann ist, der Himburg hier recht frei walten lässt. „Ich sorge für die Auslastung seiner Maschinen und gebe ein paar neue Impulse, er hält mir finanziell den Rücken frei”, sagt Alex. Nur so hat er jetzt wieder mehr Zeit, über die Feinheiten seiner Biere die Stirn in Falten zu legen und zu sinnieren, der feingeistige Brauer aus dem Odenwald.

Bester Teil des Jobs: Selber trinken. (Foto: Stefan Peters)

Bester Teil des Jobs: Selber trinken. (Foto: Stefan Peters)

The post Der feine Unterschied appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Der Guide zum Glück

$
0
0

Bier. Im Sternerestaurant. Und noch dazu in München. Ein in Kanada geborener, Geige spielender Ex-Rockmusiker mit Sinn für Mode macht das. Der Sommelier Justin Leone bringt Craft Beer ins Trantris.

Kann Wein, Kaffee, Tee, Spirituosen - und Bier. Als Sommelier muss man das auch, sagt Justin Leone. (Foto: NAK)

Kann Wein, Kaffee, Tee, Spirituosen – und Bier. Als Sommelier muss man das auch, sagt Justin Leone. (Foto: NAK)

Eigentlich spricht Justin Leone sehr gut deutsch. Bayerisch sogar. Mit allen Fachtermini, „Servus“ und „Halbe“, „Absacker“ und so weiter. In einem Interview darüber, warum ein Weinsommelier wie er sich so brennend für Bier interessiert, würde er dennoch lieber Englisch sprechen, sagt er, wenn das OK ist. „Better when I’m hungover“, sagt er und grinst. Sieht man ihm gar nicht an, so aus-dem-Ei-gepellt-mäßig wie er da sitzt, mit Hemd, Weste, breiter Krawatte. Ist, wie er erklärt, eine Art chronische Berufskrankheit: „Im Grunde vergiften wir Sommeliers uns alle langsam aber sicher selbst mit diesen ungesunden Arbeitszeiten und der ganzen Verkosterei. Das hat sich seit Jahrhunderten nicht geändert. Dieser Beruf ist traditionell mit einem gesundheitlichen Risiko verbunden.“

Halb Vier am Nachmittag. Die letzten Mittagsgäste des Tantris verabschieden sich, der Sommelier schenkt sich ein Glas stilles Wasser ein und nimmt auf der Galerie oberhalb der Bar an einen ovalen Tisch Platz. Von hier aus kann man über einen guten Teil des Restaurants schauen, in dem alles noch so orange-schwarz-plüschig aussieht wie in den Siebzigern, als der Bauunternehmer Fritz Eichbauer Münchens erstes Haute-Cuisine-Restaurant eröffnet hat, als es weit und breit noch nur Schweinsbraten-und-Zigeunerschnitzel-Wirtshäuser gab. Eckart Witzigmann war der erster Küchenchef, der für die Schickeria, so erzählt man sich, hier virtuos-dekadent aufgekocht hat. Jede Woche ist er auf den Großmarkt nach Paris gefahren um einzukaufen, Bressehühner, Foie Gras, Flaschenweise Bordeaux und so. Bekam man ja seinerzeit auf dem Viktualienmarkt alles nicht. Seit 1991 steht der Österreicher Hans Haas am Herd und sichert dem Restaurant Jahr um Jahr seine zwei Michelin-Sterne. Und Justin Leone aus Chicago serviert seit zwei Jahren dazu die passenden Weine. Oder das Bier. Er plant, die Weinkarte des Tantris um rund 30 internationale Spitzenbiere zu erweitern. Im Keller habe er schon ein paar besondere Fläschchen eingebunkert, sagt er.

Berater, Bonvivant, Biersommelier
Für ihn sei es eigentlich ganz normal, dass ein Weinsommelier auch Bier kann, sagt der Kanadier. Das habe mit den Ursprüngen seiner Zunft zu tun: Ein Sommelier war ursprünglich derjenige am Hofe, der auf Reisen für den Wagen des Königs zuständig war, für das Proviant aber auch alles andere. Eine ungemein wichtige Position, mitten im Inner Circle, quasi. Man habe für diesen Posten sogar bezahlen müssen und bekam das Privileg, zu leben wie ein König ohne einer zu sein.

Später entwickelte sich der Sommelier zu der zentralen Person in der gehobenen Gastronomie. Er war für die Reservierungen zuständig, ebenso wie für die Bar, er arbeitete mit dem Küchenchef die Menüs aus, kümmerte sich um die Bierfässer und um den Wein. „Manchmal frage ich mich, wann wir das vergessen haben. In was für einer Zeit leben wir, in der wir einen Wassersommelier und einen Brotsommelier brauchen? Wenn dein Sommelier keine anständige Wasserempfehlung geben kann, wenn er nicht weiß, wie man eine Zigarre anschneidet und einen guten Cocktail mixt, dann feuer ihn! Du hast da den falschen Mann“, sagt Leone. „ Am Ende des Tages ist der Sommelier der Bonvivant, der Führer zum Glück des Gastes – egal, was es ist. Und dabei gilt auch: Wenn dein Sommelier nicht weiß, wie er ein Hemd und eine Krawatte ordentlich auf einander abstimmt oder die Passform eines Anzugs nicht zu seinem Körperbau passt – dann musst du ihn ebenfalls rausschmeißen. Es geht bei diesem Beruf schließlich um Geschmack.“ Mit diesem Berufsethos war es für Justin Leone immer schon klar, dass er sich nicht nur mit Wein, sondern ebenso mit Kaffee, Tee, Spirituosen und Bier bestens auskennen sollte.

Eigentlich kommt Leone aus einem ganz anderen Bereich. Wobei: So anders auch nicht, Schönes und guter Geschmack sind schon allgemein sein Ding. Nachdem er an der Indiana University, einer der besten Musikhochschulen der USA, klassische Musik studiert hatte, tourte er als Rockmusiker durch die Staaten, spielte E-Bass und trat mit seiner Band im Vorprogramm von John Mayer, den Foo Fighters, der Dave Matthews Band, John Mellencamp, Neil Young und Michelle Branch auf. „Das war super, aber nichts, was man sein Leben lang macht. Solange man nicht Bono ist, macht das keinen Sinn.“ Also suchte er sich einen normaleren, einen Erwachsenen-Beruf. Booking und Künstlermanagement, dachte er erst. Auf dem Weg dahin ein bisschen Gastronomie. Aber dann blieb er da hängen, fing in einem Sandwichshop an, hatte immer in zwei Jobs gleichzeitig, morgens in einem Weinladen, abends hinter der Bar. Oder tagsüber als „cellar rat“ und nachts als Sommelier – und am Ende wurde er der Sommelier eines der besten Restaurants der USA, dem Alinea in Chicago mit seinen drei Michelin-Sternen.

Craft Beer auf Sterne-Niveau
„2002 in Chicago gewesen zu sein, war das perfekte Timing: Damals fing Craft Beer nämlich gerade so richtig an.“ Der Sommelier trank sich – Berufsrisiko hin oder her – jede Menge Fachwissen an und ist seitdem der Überzeugung, dass Bier einen Platz auf der Getränkekarte jedes Sternerestaurants verdient hat. Auch in Deutschland. Und selbst in München.

Natürlich weiß Justin Leone, dass seine Gäste hier das vielfach noch ganz anders sehen. In den USA zuckt keiner mit der Wimper, wenn er zum Menü Bier-Wein-Wein-Bier-Wein-Sake-Whiskey bekommt. Hier in Deutschland mit seiner langen, stolzen Biertradition und den vielen Vorurteilen in den Köpfen der Leute ist das anders. Und natürlich das freakin‘ Reinheitsgebot. Warum das für viele so ein Riesending ist… – „Ich versteh’s echt nicht. Oder: Ich verstehe es eigentlich schon. Liegt daran, dass in Deutschland jede Veränderung eine Million Jahre braucht.“ Aber anyway: Sich der besonderen Schwierigkeiten bewusst, hat der amerikanische Sommelier es zu seiner „persönlichen Herausforderung“ gemacht, den Deutschen die Augen in Sachen Bier zu öffnen. „Gerade den Bayern“, sagt er. Im Tantris fängt er damit an, indem er hier und da mal ein Bier in der Weinbegleitung zum Degustationsmenü versteckt und als Absacker an der Bar eine Alternative zum Gezapften, zum ollen Hellen, vorschlägt. Eine Brooklyn Sorachi Ace, zum Beispiel. Was Belgisches. Oder ein anderes Craft Beer, das der allwissende Sommelier dann auf die Schnelle und mit großer Freude aus dem Keller des Münchner Sternelokals holt.

The post Der Guide zum Glück appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Hier spricht der Kapitän

$
0
0

Als hobbybrauender Pilot bei der SAS schmuggelte Kjetil Jikiun Aromahopfen in seinem Aktenkoffer und überredete Stewardessen, Flüssighefe in der Bordküche zu verstecken. Jetzt betreibt er mit Nøgne Ø eine der besten Craft Breweries Norwegens

Wer aussieht wie der Weihnachtsmann, kann kein schlechtes Bier machen: Kjetil Jikiun, Brauer aus Norwegen. (Foto: NAK)

Wer aussieht wie der Weihnachtsmann, kann kein schlechtes Bier machen: Kjetil Jikiun, Brauer aus Norwegen. (Foto: NAK)

Was jetzt kommt klingt wie ein Märchen. Ein Craft Beer Märchen. Ist aber alles wirklich so passiert. In schicken Berliner PR-Agentur sitzen Heerscharen junger Menschen mit Masterabschlüssen aus Utrecht und Mainz, 17 unbezahlten Praktika im Lebenslauf und gut angezogen sind die auch noch – und trotzdem könnten die sich eine so schöne Gründungslegende nicht ausdenken. Oder: Könnten sie vermutlich schon. Nur käme die nie, niemals so gut rüber, wie wenn der große, weihnachtsmannbärtige Mann mit dem Pferdeschwanz und dem köttbullarweichen Skandinavo-Akzent sie erzählt. Und die geht so:

Es war einmal ein Pilot. Der trank sehr gerne Bier. Sein Hobby war es, bei seinen Reisen um die Welt Biere zu probieren. Das machte er so ungefähr zwanzig Jahre. Dabei stellte er erstens fest, dass das Bier in seiner Heimat Norwegen vergleichsweise ziemlich langweilig ist und zweitens, dass es deutlich komplizierter ist, eine Boing 747 zu steuern als ein anständiges Bier zu brauen. Irgendwann fing er nämlich an, hobbymäßig, immer, wenn er gerade zuhause war, sein eigenes Bier zu brauen.

Zutaten für sein Bier kaufte er unterwegs. „Man hat als Pilot ja ein paar Vorteile, was Gepäckbestimmungen, Sicherheits- und Zollkontrollen angeht“, sagt er und grinst. „Und ich konnte schon auch mal einen Purser bitten, ein bisschen Hefe für mich irgendwo in der Kühlung der Galley zu verstauen.“ Wie praktisch.

Craft Beer statt Kurzstrecke

Weil der Pilot nicht nur ziemlich anständiges Bier brauen, sondern eben wie gesagt auch so eine Boing sehr gut steuern konnte, beförderte SAS ihn um die Jahrtausendwende vom Co-Piloten zum Kapitän. Eigentlich eine schöne Sache, Streifen mehr auf der Schulter und vermutlich auch ein dickerer Gehaltsscheck. Dem Pilot allerdings gefiel das nach ein paar Jahren nicht mehr so sehr: Als Co-Pilot war er nämlich immer auf der Langstrecke unterwegs gewesen. Als Kapitän flog er vor allem innernorwegische Routen, bisschen Europa. Ihm fehlten die besonderen Biere aus aller Welt. Und exklusive, amerikanische Hopfenpellets konnte er da auch nicht mal so nebenbei shoppen.

Also beschloss der Pilot Kjetil Jikiun 2002 die Fliegerei sein zu lassen und eine zweite Karriere zu starten. Als Craft Brewer. Gemeinsam mit einem Freund investierte er in eine Brauanlage und gründete Nøgne Ø in Grimstad, Südnorwegen. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten („Die Norweger wollten unser Bier nicht kaufen, sie sagten immer: ‚Das schmeckt nicht nach Bier‘“) ist Jikiun mittlerweile gut im Geschäft, produziert etliche tausend Hektoliter pro Jahr und rund 20 verschiedene Sorten Bier, exportiert rund 80 Prozent davon, unter anderem nach Großbritannien, in die USA und nach Japan. Er hat eine Goldmedaille beim World Beer Cup gewonnen und mit Mikkeller, Brewdog und Stone zusammen gebraut.  Seit 2005 macht Jikiun in seiner Brauerei auch Sake, wenngleich das mit dem Bier eigentlich nichts zu tun hat, ist einfach eine zweite Leidenschaft, die er auf seinen Reisen als Pilot entwickelt hat. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten („Die Norweger wollten unseren Sake nicht kaufen, sie sagten immer: ‚Das schmeckt nicht wie Sake‘“) ist er auch damit gut im Geschäft.

Eigentlich könnte hier das „und wenn er nicht gestorben ist“ kommen. Und in der PR-Version der Kommunikationstalente der Berliner Agenturen stünde das auch hier. In Wirklichkeit ist im Herbst 2013 aber etwas passiert, was aus dem Craft Beer Märchen eine echte,  überzeugende und vielleicht richtungsweisende Unternehmensgeschichte macht: Am 25.November übernahm der zweitgrößte norwegische Braukonzern, Hansa Borg 54 Prozent der Anteile der Firma. Mehr ist dabei nicht passiert. Es sei nur der Vollständigkeit halber erzählt. Weil wir ja keine Märchennacherzähler hier sind. Sonst ändert sich auch nichts. Sagt Kjetil Jikiun, der Craft-Brewer-Pilot und lächelt wie der Weihnachtsmann.

Ohne Ö fehlt hier was: Nøgne Ø ist eine der berühmtesten Craft Breweries Norwegens. (Fotos: Stefan Peters)

Ohne Ö fehlt hier was: Nøgne Ø (heißt: “nackte Insel”. Echt.) ist eine der berühmtesten Craft Breweries Norwegens. (Fotos: Stefan Peters)

The post Hier spricht der Kapitän appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Brauer aller Länder, vereinigt Euch!

$
0
0

Seit einer Woche gibt es einen international operierenden Craft Beer Verband, die „Global Association of Craft Beer Brewers“. Klingt kompliziert. Bisschen verkopft und bürokratisch. So, dass man sich fragen könnte: Braucht es das? Müssen Craft Brewer sich organisieren? Ist so ein Verband wirklich nötig? Sebastian Mergel, Mitgründer der Berliner Bierfabrik (noch Beer4Wedding) und frisch gewählter Präsident des Verbandes, antwortet.

Zuerst einmal: Notwendig ist so ein Verband freilich nicht! Gutes Bier wird sich auch ohne global operierende Verbände verkaufen. Gutes Craft Beer erst recht. Die kleinen und unabhängigen Brauereien werden in den nächsten Jahren von selbst immer mehr in den Fokus der Konsumenten rücken. Dafür sind sie nicht auf die Hilfe eines Verbandes angewiesen.

Und doch gibt es vieles, was für die Gründung dieses Verbandes gesprochen hat.

Die Idee dazu wurde im letzten Sommer geboren, beim Kooperationssud der Stronzo Brewing Company zusammen mit beer4wedding in Dänemark, einer Art Jamsession, nur mit Hopfen und Malz statt Instrumenten. Ein paar Wochen später wurde der Import des Bieres nach Deutschland am Zoll angemeldet und Kristian Strunge kam zum Braufest nach Berlin, wo das gemeinsam gebraute Bier präsentiert werden konnte.

Aus diesem spontanen Ereignis formte sich langsam eine Idee: Es muss mehr junge Brauer und Brauerinnen auf der Welt geben, die an so einem Austausch und solchen Kooperationen über Ländergrenzen hinaus interessiert sind! Und so begann die Arbeit an diesem neuen Konzept, dem Konzept eines international operierenden Brauer-Verbandes. Ein paar Monate später gründete sich die Global Association of Craft Beer Brewers (GACBB) aus der Initiative von mehr als 20 über die ganze Welt verteilten Brauereien.

Es geht um Craft Beer Wissen – und Wirtschaft

Waren die Brauereien und die Menschen dahinter häufig sehr unterschiedlich, so waren ihr Gründe, Teil dieses Verbandes zu werden, doch immer dieselben: Austausch von Wissen, grenzüberschreitende Projekte und Förderung der Vielfalt.

Die neue, junge Generation der Craft Brewer wächst weltweit und doch fällt sie auf dem internationalen Biermarkt, der von ein paar wenigen Megakonzernen beherrscht wird, wirtschaftlich kaum ins Gewicht. Oft sind diese Brauer_innen und ihre Mikro- oder Nanobrauereien zu klein, um sich auf dem internationalen Parkett zu behaupten. Es erschien also nur logisch, ihre Stimmen in einem gemeinsamen Verband zu vereinigen.

Denn ja: Selbstverständlich liegen einem solchen Verband auch wirtschaftliche Interessen zugrunde. Wir wollen uns gegenseitig helfen, neue Märkte zu erschließen, Käufergemeinschaften gründen, Vertriebsnetze knüpfen und durch gemeinsame PR-Maßnahmen auf uns aufmerksam machen.

Wir sehen die Global Association of Craft Beer Brewers als globales Netzwerk und daher auf keinen Fall als Konkurrenz oder Ersatz für national operierende Verbände wie die Brewers Association oder die freien Brauer.

Wir möchten einen Verband schaffen, der für Vielfalt und kultur- sowie länderübergreifende Zusammenarbeit steht. Wir möchten uns untereinander austauschen und helfen, anregen und beflügeln, sowie beständig vorantreiben.
Wir möchten ein Verband von Brauern für Brauer sein.

Der Name ist lang. Hat aber gerade aufs Logo gepasst. Brandneu: Die "Global Association of Craft Beer Brewers" (Foto: GACBB)

Der Name ist lang. Hat aber gerade aufs Logo gepasst. Brandneu: Die “Global Association of Craft Beer Brewers” (Foto: GACBB)

The post Brauer aller Länder, vereinigt Euch! appeared first on Das Craft Beer Magazin.

“Ich bin da in etwas reingeraten…”

$
0
0

Eigentlich ist Thomas Wachno aus Bad Rappenau in Baden Württemberg der Erfinder des Craft Beer. Mit seinem Label Hopfenstopfer. Nur dass dieses Craft Beer irgendwie schon erfunden war.

Der (eigentlich irgendwie auch) Erfinder des Craft Beer: Thomas Wachno (Foto: Stefan Peters)

Wir können alles. Sogar Craft Beer. Der Badener Thomas Wachno hat’s sogar erfunden. (Foto: Stefan Peters)

Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen verrückt. Aber wenn man so darüber nachdenkt, findet Thomas Wachno und grinst ein bisschen schief, ja, doch, dann kann man da wirklich so sagen:  Vor vier oder fünf Jahren hat er Craft Beer erfunden. Weil: Dass es das schon gab, wusste er ja nicht.

Wie alle besten Erfindungen ist auch sein Craft Beer aus einem Blödsinn heraus entstanden. Jetzt, im Nachhinein muss er eigentlich darüber lachen. Aber dann holt Wachno weit aus und erzählt, wie das war: Der Bauer, der den Treber bei ihnen, bei Häffner Bräu in Bad Rappenau, abholt, der hatte früher mal Verwandtschaft in der Hallertau. Und deshalb hat der irgendwann mal zu ihm, dem jungen Braumeister von den Häffners, gesagt: „Ich tät’ ja einmal einen Hopfen anbauen.“ Da, auf der Südseite des Hofes. Das sollte ganz gut gehen. Er, Wachno, hat das also ausprobiert, vier Pflänzchen in der Gärtnerei  gekauft,  Schnüre von der Dachrinne runter gespannt. Er hat seine Pflänzchen einen Sommer lang gegossen und abgewartet. Im Herbst 2008 konnte er dann tatsächlich seinen ersten eigenen Hopfen ernten. Er hat ihn getrocknet und in die Tiefkühltruhe gepackt. Denn: Was sollte er auch damit machen?

Zufällig las Thomas Wachno dann eine Kolumne vom  Bierpapst Conrad Seidl, in der es um das Hopfenstopfen ging. „Das war damals in Deutschland so gut wie überhaupt nicht üblich“, sagt Wachno. Er selbst hatte das noch nie gemacht und probierte es einfach einmal aus. Mit seinem selbst gepflanzten Hopfen. Ergebnis: „Ungewohnt, aber gut.“

Er wollte weiter machen. „Nur so, um meinen eigenen Horizont zu erweitern, habe ich still und heimlich besondere Biere gebraut und Freuden zum probieren gegeben“, sagt er. Die eigene Hopfenzucht stockte er auf vierzehn Pflanzen auf, zugleich begann der Badener sich auf Hobbybrauerforen rumzutreiben. Unfassbar, was es da alles gab! Irgendwann bestellte er sich mal einen Sack Citra-Hopfen aus den USA. „Da dachte ich, biertechnisch geht echt noch mehr.“ Furchtlos braute er gleich mal einen ganzen Sud damit ein, 22 Hektoliter, echt eine Hausnummer.

Craft Beer? Nie gehört.

Und von diesem Craft Beer wusste er die ganze Zeit über wirklich nichts? „Awa! Ich bin da in etwas reingeraten, von dem ich keine Ahnung hatte“, sagt Wachno. „Man muss wissen: Wir verkaufen unsere normalen Sachen ja nur um den Kirchturm herum.“ Sein Citra Ale hingegen ging – vor allem über den ProBier Club – durch ganz Deutschland.

2010 dämmert es Wachno so langsam, dass er auf etwas Großes gestoßen war und gab dem Kind zunächst einmal einen Namen: Seine besonderen Biere kursierten fortan unter dem Label „Hopfenstopfer“. Das gehört nach wie vor zu Häffner Bräu, wo Wachno schon seine Lehre als Brauer und Mälzer gemacht hat und bis heute angestellt ist.

„Ich habe überlegt, ob ich eine eigene Firma gründen soll“, sagt der 37-Jährige, „das dann aber schnell verworfen. Ich bin so schon genug ausgelastet. Ich habe zwei Kinder, die wollen auch was von ihrem Papa haben.“ Wachno hat ja auch großes Glück mit seinen beiden Chefinnen bei Häffner Bräu: „Im Grunde lassen die mir jede Freiheit. Klar, sobald es ums Geld geht, bespricht man sich. Aber ich muss nicht fragen, wenn ich eine neue Biersorte machen will.“ Da sind dann eher die Kapazitäten das Problem:  „Früher habe ich halt nach Gefühl Bier gemacht. Jetzt muss ich immer genau planen, was ist wo drin, wann kann aus dem Gärtank ins Lager und so weiter.“ Genau somit dem Leergut: „Früher habe ich ein paar leere Kisten auf den Lastwagen gepackt, bin zum Kaufland runter gefahren und habe gesagt: Macht die mal voll.“ Heute sind seine Flaschen in der ganzen Bundesrepublik unterwegs und kommen so gut wie nie nach Bad Rappenau zurück.

Vermutlich würden die Flaschen auch noch viel weiter reisen. Aber das will Wachno nicht. Noch nicht. „Gegen das Auslandsgeschäft streube ich mich noch ein bisschen.“ Man wisse ja nicht, wo das Bier da steht und wie lange und weil er nicht pasteurisiert… – lieber nicht. „Ich bin tiefenentspannt. Ich haben keinen Businessplan und keinen Druck und setze total auf ein organisches Wachstum.“ Schließlich wusste er ja lange genug auch nichts von diesem Craft Beer in den USA. Werden die es wohl auch noch ein Weilchen ohne das in Bad Rappenau erfundene Craft Beer aushalten können.

Alles so schön bunt hier: die Hopfenstopfer-Kollektion (Foto: Stefan Peters)

Alles so schön bunt hier: die Hopfenstopfer-Kollektion (Foto: Stefan Peters)

The post “Ich bin da in etwas reingeraten…” appeared first on Das Craft Beer Magazin.

Viewing all 753 articles
Browse latest View live