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Wie man eine verdammt gute Craft Beer Bar macht

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Jimmy Carbone betreibt mit “Jimmy’s No.43″ eine der besten Craft Beer Bars in New York City. Und er hätte da ein paar Tipps.   

Das ist Jimmy Carbone. Koch, Wirt, Italo-Amerikaner und Craft Beer Mann. Gemeinsam mit fünf weiteren Barbetreibern gründete er „The Good Beer Seal“ , eine Art Gütesiegel für New Yorker Craft Beer Bars. Und es ist ihm zu verdanken, dass Ex-Mayor Bloomberg den Juli offiziell zum New Yorker „Good Beer Month“ erklärt hat. (Foto:PR)

Das ist Jimmy Carbone. Koch, Wirt, Italo-Amerikaner und Craft Beer Mann. Gemeinsam mit fünf anderen Bartendern gründete er The Good Beer Seal“ , eine Art Gütesiegel für New Yorker Craft Beer Bars. Und es ist ihm zu verdanken, dass Ex-Mayor Bloomberg den Juli offiziell zum New Yorker „Good Beer Month“ erklärt hat. (Foto:PR)

Den Laden, der heute Jimmy’s No. 43 ist, habe ich vor neun Jahren gefunden. Mittelgroßes Ding im East Village. Und es gab nur eine Bier-Lizenz dafür. Das heißt, Wein durfte man da anfangs nicht ausschenken. Klar habe ich da erst einmal gezögert.

Ich meine, das war zwar die Zeit, in der Craft Beer in New York  Thema wurde. Mit Sixpoint eröffnete da gerade eine neue, original New Yorker Brauerei. Trotzdem war das für mich, einen Mann aus einer sehr italienischen Familie schon ein großer Schritt. Im meinem vorherigen Restaurant habe ich vornehmlich Pasta gekocht und Wein serviert!

Andererseits: Es gab damals genau eine „German Beerhall“ in New York, das „Zum Schneider“. Und Bars, die sich beer-only getraut haben, vielleicht eine Hand voll. Eine weitere, richtig gute gemacht Bierbar kann diese Stadt schon vertragen, dachte ich. Zumal New York auf eine recht starke Biertradition zurückschauen kann.

Also habe ich Jimmy’s No. 43 eröffnet. Zuerst habe ich fast nur Klassiker ausgeschenkt und Biere, die mir selber am besten schmeckten, Chimay und Schneiders “Aventinus” zum Beispiel. Dann habe ich die ersten amerikanischen Craft Beers aufgenommen und gemerkt, dass die richtig gut gingen. Mittlerweile gibt es so viele hervorragende Craft Breweries in und um New York, dass ich überwiegend lokales Bier verkaufe. Pilsener und Lager sind zur Zeit sehr gefragt. Da habe ich ein Evil Pils von Firestone in Kalifornien am Hahn. Und ein Bell’s Lager aus Michigan. Mengenmäßig ist und bleibt aber das IPA der Topseller.

Das Jimmy's No.43 in der East 7th St. zwischen 2nd und 3rd Ave. Der Chef mag das schöne deutsche Wort "Gemütlichkeit" - und was es heißt. (Fotos: Stefan Peters)

Das Jimmy’s No.43 in der East 7th St. zwischen 2nd und 3rd Ave. im East Village, Manhattan. Der Chef mag das schöne deutsche Wort “Gemütlichkeit” – und was es heißt. (Fotos: Stefan Peters)

Es gibt ja Leute, die sagen, man müsse sich als Barbetreiber einen Schwerpunkt suchen, vor allem belgisches oder deutsches oder englisches Bier ausschenken. Ich sehe das anders. Nicht umsonst heißt es doch „Craft Beer Nation“. Landesgrenzen spielen beim Craft Beer überhaupt keine Rolle. Inzwischen gibt es überall ein paar Brauer, die verdammt gutes Craft Beer machen. Ich würde deshalb sagen: Fangt mit einer guten Mischung an Bierstilen an. Ein paar anständige Pils, Lager, IPAs, aber auch zwei, drei Sauerbiere, belgische Stile, ein Bock vielleicht.

Das ist, was die Leute beim Craft Beer wollen: Auswahl. Und Überraschung. Sie wollen neue und alte Stile probieren. Tasting Trays zum fairen Preis sind deshalb eine gute Idee. Ich habe im Laufe der Jahre gelernt, auf meine Kunden zu hören. Hier in New York spinnen sie zur Zeit alle total auf Gose, also habe ich nach einer New Yorker Brauerei gesucht, die gute Gose macht.

Das Einzige, was wirklich niemand will, sind Cask Ales. Im Erst: Da wird zur Zeit viel drüber gequatscht und geschrieben, aber wirklich trinken tut es am Ende doch keiner. Das kann man sich als Barmann schenken.

Und noch drei Sachen, die eine gute Craft Beer Bar ausmachen: Erstens, der Mann (oder die Frau) hinter dem Tresen, natürlich. Er oder sie muss nicht der beste Bier-Experte sein, gar nicht. Der Bartender muss in erster Linie einfach nett sein. Service ist alles. Was die Leute wissen sollen, steht in der Karte, der Keller ist da um zu bedienen, nicht zu belehren.

Zweitens: Serviert Essen! Ich bin der festen Überzeugung, dass Essen jede Bar geselliger macht. Stichwort: „Gemütlichkeit“. Kennt ihr Deutschen doch. Und Essen macht die Leute zivilisierter. Wo es zumindest ein paar Potatoe Wedges und einen guten Burger gibt, wird weniger geschlägert,davon bin ich überzeugt.

Ich arbeite mit einem Metzger aus Eastern New York, der mir Fleisch und Würste liefert und kaufe auf diversen Ökomärkten in der Gegen hier ein, um solides, saisonales und regionales Essen zu machen, Stews, Ragouts, Gemüse mit Schweinespeck (Speck ist generell ein wichtiger Bestandteil meiner Küche) oder auch mal ganz herzhafte Sachen wie Grünkohl mit Getreide und Entenbrust. Und nicht vergessen: Ein paar vegetarische Gerichte müssen auch sein.

Damit lockt man nämlich Mädels in die Bar und das ist der dritte Punkt: Schaut zu, dass ein ausgewogene Mann-Frau-Verhältnis herrscht, dann fühlen sich alle Gäste wohler. Außerdem sind Mädels die bessere Kundschaft. Sie sind nämlich viel wählerischer und ihnen Bier zu empfehlen macht noch viel mehr Spaß.

 

Guter Rat unter Craft Beer Freunden: Ein Gast in Jimmy's No.43 empfiehlt von Herzen auch diese New Yorker Craft Beer Bars auszuprobieren: Das "Blind Tiger" in der Bleecker Street sei "excellent" (http://www.blindtigeralehouse.com/). Außerdem: - Rattle'n'Hum' - Gingerman - The Jeffrey - BXL Cafe East - Resto (Foto: NAK)

Guter Rat unter Craft Beer Freunden: Ein Gast in Jimmy’s No.43 empfiehlt von Herzen auch diese New Yorker Craft Beer Bars auszuprobieren: Das “Blind Tiger” in der Bleecker Street sei “excellent”. Außerdem:
- Rattle’n'Hum’
- Gingerman
- The Jeffrey
- BXL Cafe East
- Resto
(Foto: NAK)

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Craft Beer wäre was für die Fortsetzung

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Der amerikanische Filmemacher Matt Sweetwood wollte ein deutsches Kulturgut erforschen: Bier. Der Film, der dabei heraus kam, “Beerland” ist ein höchst unterhaltsames Roadmovie über Menschen, die auf Bierkästen um die Wette fahren und sich bei jedem  ”Prost” tief in die Augen schauen. Schön. Lustig. Und gemütlich. Aber passt dazu die neu entstehende Craft Beer-Kultur?


Matt, warum ein Film über Bier?
Erstens, weil ich bis dato keinen Film gefunden hatte, der sich je dokumentarisch mit der deutschen Bierkultur auseinandergesetzt hat. Und das fand ich komisch: Bier ist so etwas Wichtiges in Deutschland. Das Nationalgetränk. Entscheidend für die Identität der Deutschen. Und trotzdem gibt es kaum gute Dokumentarfilme darüber. Wenn Bier mal Thema ist in Film und Fernsehen, dann mit irgendwelchen Brauereibesuchsreportagen, total sachlich und ein bisschen langweilig. Bei Büchern und Magazinen ist das übrigens genauso: Es gibt tausend Bücher über Wein und zig verschiedene Magazine. Aber kaum etwas über Bier, obwohl das doch das in Deutschland wichtigere Getränk ist. Der zweite Grund, warum ich „Beerland“ gedreht habe, war, dass ich gern einen leichteren Film machen wollte. Deutsche Dokumentarfilme sind oft sehr ernst und schwer. Ich wollte einen Film gegen den Strom und über ein Thema machen, das positiv ist. Das war in gewisser Weise ein Experiment, denn dieses Genre, der fröhliche Dokumentarfilm, ist selten.

Thema deines Filmes ist die deutsche „Bierkultur“. Nun hat aber Bierkonsum in Deutschland auf den ersten Blick und in der breiten Masse oft weniger mit Kultur als viel mehr mit Suff zu tun. Hattest du vor und während deiner Arbeit je Bedenken, dass so viel Kultur dann doch gar nicht hinter deutschem Bier stecken könnte?
Nein, mir war klar, dass es eine gewisse Kultur auf jeden Fall gibt. Die sieht man ja in der Braukunst, in der Tradition des Handwerks. Das für sich ist ja schon eine Kultur. Was ich darüber hinaus gesucht habe, war eine Kultur des Biertrinkens. Ich wollte erforschen, wie und zu welchen Anlässen trinken die Deutschen Bier, traditionell und heute? Was ist das für ein Schlag Menschen, der da dahinter steht, der da mitmacht? Und ich habe schnell gesehen, dass da mehr viel zu entdecken ist als nur eine Sumpfkultur.

Was gefällt dir besonders an dieser deutschen Bierkultur?
Je intensiver ich mich während meiner Arbeit mit der deutschen Bierkultur befasst habe, desto mehr habe ich ein ganz neues Deutschland kennengelernt. Zum Beispiel ist mir aufgefallen, dass, wenn es um Bier geht, die Deutschen sich tatsächlich trauen, ein bisschen Stolz darauf zu sein, dass sie Deutsche sind.

Craft Beer ist in deinem Film kein Thema. Weil es nicht zur deutschen Bierkultur, wie du sie erlebt hast passt?
In „Beerland“ kommt Craft Beer noch nicht vor, das ist richtig. Ich erhebe ja aber auch nicht den Anspruch, die gesamte deutsche Bierlandschaft mit diesem Film zu erklären, im Gegenteil: Ich bin kein Bierexperte, sondern ich erzähle meine ganz persönliche Geschichte, wie ich als Außenstehender deutsche Bierkultur erlebe. Beim Film muss man immer durch eine bestimmte Linse schauen, um eine Geschichte erzählen zu können. Die ganze Craft Beer Geschichte könnte aber durchaus ein zweiter Teil meiner Dokumentation werden. Ich nehme diese Entwicklung sehr ernst.

Gehen die neue Craft Beer Kultur und die deutsche Bierkultur zusammen?
Ich glaube, Craft Beer passt ohne weiteres nach Deutschland. Denn: Bierkultur ist Streitkultur. Das ist total deutsch, und über das Thema Craft Beer wird ja schon eine Menge gestritten. Während der Begriff Craft Beer in den USA fast so etwas wie ein Gütesiegel ist und für die gute Qualität von Bier steht, wird der Begriff hier von einigen Leuten total in Frage gestellt. Allen voran von den Verteidigern des Reinheitsgebotes, die gegen Craft Beer wettern. Vielleicht nennen ich den zweiten Teil meines Filmes „Krieg des Bieres“. Dann könnte ich darin der Frage nachgehen, warum in Deutschland so viel über Bier gestritten wird und die verschiedenen Fraktionen sich nicht einfach wie unterschiedliche Glaubensrichtungen innerhalb einer christlichen Kirche sich einigen können.


Noch mehr Bier im Film: Gerade erst hat Matt Sweetwood einen eigenen Youtube-Channel gelauncht. Dort sind neue und neue alte Bierepisoden zu sehen, die in “Beerland” keinen Platz mehr hatten.
Der Film “Beerland” ist mittlerweile auf DVD erschienen

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Cheers to the Gemütlichkeit!

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Maximilian Krieger vom Brauhaus Riedenburg hat sich zusammen mit Garret Oliver aus der Brooklyn Brewery ein Kooperations-Craft Beer ausgedacht. Wichtigste Zutaten: Eine handimportierte New Yorker Ale Hefe – und ein Haufen bayerische Gemütlichkeit

Transatlantisches Brauerbündnis: Robert Lemery (Cellarman Brooklyn Brewery), Maximilian Krieger (Juniorchef Riedenburger Brauhaus), Tom Villa (Lead Brewer Brooklyn Brewery) (Foto: NAK)

Transatlantisches Brauerbündnis: Robert Lemery (Cellarman Brooklyn Brewery), Maximilian Krieger (Juniorchef Riedenburger Brauhaus), Tom Villa (Lead Brewer Brooklyn Brewery) (v.l.n.r.; Foto: NAK)

Der Bayer nimmt ja gerne für sich in Anspruch, sowohl das Bier (irgendwie) als auch die Gemütlichkeit (ganz ohne Zweifel) erfunden zu haben. Und eigentlich kann man es sich fast vorstelllen, dass beides zusammen irgendwo in Bayern geboren wurde, in einem idyllischen Dorf mit Kirchturm, Flüsschen und einer eigenen Blaskapelle, einem Ort ziemlich genau wie Riedenburg im Altmühltal.

Bier und Gemütlichkeit gehören zusammen, nicht aus Konsumentensicht, das ist Werbegeschwafel, aber aus Produzentensicht: Eine gewisse Gelassenheit ist nämlich Grundvoraussetzung für einen Brauer. Erstens, weil Bierbrauen eine langwierige und phasenweise durchaus langweilige Angelegenheit ist, bei der unheimlich viel gewartet wird – darauf, dass sich der Zucker aus dem Malz löst, dass der Sud kocht, dass er dann wieder abkühlt. Zweitens muss ein Brauer aber auch grundentspannt sein, weil er das Ergebnis seiner Arbeit in der Regel erst Wochen später in der Hand hält. Also das Endergebnis. Das richtig, fertige Bier. Bis das die perfekte Trinkreife hat, vergehen je nach Sorte Wochen. Monate. Jahre!

Craft Beer Lehrjahre im Ausland

Jahre waren es bei Max Krieger dann doch nicht, aber Monate und damit letzten Endes doch ein paar Wochen mehr als er eigentlich geplant hatte, hat es schon gedauert, bis sein aktuelles Meisterwerk endlich fertig war. Ist ja aber auch ein ganz besonderes Bier, ein „Kooperationssud“, den Krieger gemeinsam mit zwei Kollegen aus der Brooklyn Brewery in Riedenburg gebraut hat. Nach amerikanischem Rezept, mit bayerischem Malz, einer New Yorker Hefe und Hopfen von beiden Seiten des Atlantiks. Ein Double IPA. Namens: „Boom“.

Im September letzten Jahres waren  Tom Villa und Robert Lemery, „Lead Brewer“ und „Cellarman“ der Brooklyn Brewery in Riedenburg. An einem kalten, feuchten Tag. Ziemlich gejetlagt. Aber gespannt, hier mal auf einer richtig alten Anlage zu brauen. „In New York haben wir dafür lauter Computer“, hat Lemery gesagt, als der Max ihn in der Schaltzentrale so ganz grob in sein Sudhaus eingeführt hat. Andererseits: „It’s all science. Bierbrauen ist ein chemischer Prozess, der ja irgendwie überall auf der Welt gleich abläuft.“

Rechnen, riechen, reinhauen: Biermachen geht üüberall auf der Welt ziemlich gleich. (Fotos: NAK)

Hopfen muss man rechnen, riechen und reinhauen. Biermachen geht überall auf der Welt ziemlich gleich. (Fotos: NAK)

Sieht der Max ähnlich. Brauen – klar, das ist im Prinzip immer gleich. Bier hingegen – da gibt es ja Welten: Er, der Brauersohn aus Niederbayern hat als er drei Jahren in Italien gelebt und gearbeitet hat, Bier noch einmal von einer ganz anderen Seite kennengelernt. Bei Amarcord in der Nähe von Rimini war damals das ganze Craft Beer Ding schon voll am Brodeln. Wir haben da ganz verrückte Biere gemacht, sagt er. Begeistert. Also toll verrückt halt. Als Max mit seiner Frau und seinen Kindern vor knapp zwei Jahren zurück ins Altmühltal zog und in der Brauerei seines Vaters einstieg, braute er da auch zum ersten Mal so etwas toll-verrücktes, den „Doldensud“, ein „Bavarian India Pale Ale“. Sein Vater sei von Anfang an dieser ganzen Craft Beer Sache gegenüber aufgeschlossen gewesen. Als er das sagt, überlegt Max kurz, ob er das eigentlich erstaunlich findet. Ein bisschen vielleicht, aber Michael Krieger ist ja selbst auch ein Pionier, der mit seinerzeit verrückten Sachen  angefangen hat:  Er war einer der ersten Biobrauereibesitzer – und das noch dazu im beschaulichen Riedenburg in Niederbayern – und spezialisierte sich früh auf die Verwendung ganz besonderer Getreidesorten. Alte Sorten, Einkorn zum Beispiel. Oder Emmer. Bis heute der Bestseller der Brauerei.

Brooklyn Brewery meets Riedenburger 

Während seiner Zeit in Italien hat Max auch Garrett Oliver, den Gründer und CEO der Brooklyn Brewery, kennengelernt – und mit ihm zusammen gebraut. Kooperationsbiere für den italiensichen und amerikanischen Markt. „Supersachen. Eins etwa mit Honig, Schlehen, Kirschen und allem möglichen“, schwärmt Krieger. „Und irgendwann habe ich halt zum Garrett gesagt, wenn ich wieder daheim bin, in der Brauerei meiner Eltern, machen wir so was mal in Riedenburg.“ Hat dann auch wieder noch ein bisschen gedauert, aber macht ja nichts, wenn man das mit brauerlicher Gemütlichkeit erträgt.

Fachmänner schauen mit fachmännischen Blicken in Kessel, auf Pellets und durch Würze. (Fotos: NAK)

Fachmänner schauen mit fachmännischen Blicken in Kessel, auf Pellets und durch Würze. (Fotos: NAK)

In ihrer fast universellen Brauersprache (Bier = beer, Malz = malt, einmaischen = mashing in, Weißwurstfrühstück= Weißworstwhatever) kamen der bisweilen ein bisschen wortkarge Niederbayer und die beiden Jungs von der Brooklyn Brewery super klar. Die Umrechnerei von Fahrenheit in Celsius, Gallons in Liter und Pound in Kilo war eigentlich die einzige interkulturelle Hürde. Und die Sache mit dem Hopfen:
„So we need 20 kilograms of hops“, rechnet Max.
„Twice“, knurrt Tom Villa.
„What? Twice?“
„Well, it’s called ‘double’ IPA, ain’t it? Now you’re scared, huh?“
Ach was. Kann einen echten Brauer auch nicht aus der Gemütlichkeit bringen.

Das kam raus: Dolden Boom. Baam! (Foto: StP)

Das kam raus: Dolden Boom. Baam! (Foto: StP)

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Keine Wurst- und Bierwitze, bitte.

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Hendrik Haase alias der “Wurstsack” setzt sich als Designer, Blogger und Foodaktivist für gute Lebensmittel ein. Und neuerdings interessiert er sich sehr für Bier. Craft Beer. Zu handgemachter Wurst.

Wenn einer sich selbst „Wurstsack“ nennt, dann muss er das wohl so machen. Als Hendrik Haase an diesem Frühlingsabend in die Belgische Bierbar Herman in Berlin-Prenzlauer Berg kommt, fragt er den Barchef – den er wohlgemerkt noch nie zuvor getroffen hat – erst einmal nach einem Schneidebrett. Dann kramt er einen dicken Wurstzipfel aus seinem Rucksack, schneidet eine Scheibe ab und drückt sie dem zunehmend verwunderten Wirt in die Hand.

„Was soll ich dazu trinken?“ fragt er.

Hendrik Haase, 30, ist Kulinaristiker, Kommunikationsdesigner und kreativer Unternehmensberater, Künstler, Autor, Blogger, Fotograf, Slow Food Mitglied, Food-Aktivist, leidenschaftlicher Koch, Hobby-Bauer und Gern-Esser. Er lebt und arbeitet in Berlin. Seinem Künstler-/Markennamen gerecht werdend, widmet er sich jobtechnisch wie künstlerisch gern und oft dem Thema Wurst, in der letzten Zeit immer öfter aber auch dem Craft Beer. Und vor einem guten Viertel Jahr führte er beides zusammen: Haase ist Mitinitiator von Wurst & Bier, einem ziemlich spektakulären Tasting-Event in der Markthalle Neun in Kreuzberg, das mit mehr als 12.000 Besuchern die erfolgreichste Veranstaltung der Markthalle ever war. Dabei war die  Idee dahinter so simpel: Gemeinsam mit Johannes Heidenpeter, der in der Markthalle sein Bier braut und ausschenkt, lud Haase Wurst- und Biermacher, die Herz und Seele in ihre Produkte stecken, ein. Und siehe da: Beides passt hervorragend zusammen.

Darüber hinaus gibt es aber auch einige Parallelen zwischen der Wurst- und der Bier- bzw. der Craft Beer-Welt, über die der Wurstsack an diesem Abend bei einem Glas „Bockor“, einem Pils aus Flandern, und seiner mitgebrachten Salami spricht.

Nachdenklicher Typ mit kulinarischem Durchblick: Hendrik Haase aka "Wurstsack". (Foto: Falk Wenzel)

Nachdenklicher Typ mit kulinarischem Durchblick: Hendrik Haase aka “Wurstsack”. (Foto: Falk Wenzel)

Kann es sein, das Bier und Wurst ähnliche „kommunikative“ Schwierigkeiten haben?

Durchaus. Ich bin am Ende meines Design-Studiums zum Thema Wurst gekommen, weil ich das Gefühl hatte, dass sich hier etwas wirklich gutes, das deutsche Wursthandwerk nämlich, total schlecht verkauft. Nehmen wir mal Würste aus anderen Ländern, Chorizo oder Salami zum Beispiel : Da hat man doch gleich attraktive, ansprechenden Bilder im Kopf von edel hängenden, farbprächtigen Würsten. Denken wir hingegen an deutsche Würste wie Blut-, Leberwurst oder Presskopf – und allein die Worte klingen mittlerweile schon hässlich für viele – haben wir nichts ansprechendes vor Augen.

Inwiefern ist das ein Problem für die deutsche Wurst und das Wursthandwerk?

Das deutsche Metzgerhandwerk ist vom Aussterben bedroht. In ganz Berlin zum Beispiel gibt es nur noch 28 eingetragene Handwerksmetzger. In Frankfurt sind in den letzten Jahren 300 Metzgereien gestorben. Und das heißt ja nicht, dass die Menschen weniger Wurst essen – im Gegenteil. Aber sie kaufen sie im Supermarkt, eingeschweißt und aufgeschnitten. Damit sich das wieder ändert, muss das deutsche Wursthandwerk sich besser und schöner verkaufen. Da habe ich eine Chance gesehen, mein Talent einzusetzen um der Wurst etwas Gutes zu tun. Ich wollte Wurst schön verkaufen, ohne immer lustig sein zu müssen.

Was ist verkehrt an lustig?

Der deutsche Wurstwitz ist ziemlich tief in der Kommunikationsgeschichte der Wurst verankert. Ich denke da so an das Comic-Schwein mit dem Messer im Kopf und solche Bilder. Das ist ja nicht wirklich lustig. Und es hilft der guten Wurst nicht, denn die will ernst genommen werden. Wurst ist nichts Lächerliches. Genauso – und damit kommen wir nun auch auf die Parallele zum Bier – wie Bier nicht einfach nur Zeug zum wegsaufen ist, sondern ein wichtiges, mit unserer Kultur verbundenes Lebensmittel, das spannend und vielfältig sein kann. Auch hier ist „Humor“ im Sinne von beispielsweise nackten Frauenärschen auf dem Etikett nicht sonderlich hilfreich. Das würde ich übrigens jedem jungen Brauer sagen, der mich fragt, was er kommunikativ für sein Bier tun kann: Bindet doch mehr Frauen ein, in die Produktion und die Vermarktung. Fragt Mädels, was sie meinen. Das würde vielen echt helfen.

Außer dass Bier und Wurst also beide mit fragwürdigem Herrenwitz und vermeintlicher Hässlichkeit zu kämpfen haben – wie passen die beiden Sache denn nun gut zusammen? So aus deiner Sicht als Genussmensch, bewusster Esser.

Beides sind im Grunde simple Lebensmittel, aber komplex, wenn man da tiefer einsteigt. Ich mag das. Deshalb interessiere ich mich auch nicht besonders für irgendwelche Schäumchen der Tonkabohne, sondern für mich hat der ganz einfache Abendbrottisch schon genügend zu entdecken. Finde mal einen Bäcker, der dir ein richtig gutes Brot dafür backt! Als Wurst dazu probier mal eine Sülze, verschiedene Sorten Rohwurst, nicht einfach irgendeinen langweiligen Aufschnitt. Und Butter – ach. Eine echte Rohmilchbutter bekommt man heute ja nur noch im KaDeWe und die ist dann aus Frankreich. Eingelegte Gurken aus dem Supermarkt beinhalten in 80 Prozent der Fälle Aromastoffe. Du weißt wie die gewonnen werden, oder? Das ist, was irgendwelche Hefepilze ausscheiden. Mit Käse fange ich jetzt gar nicht erst an… Kurz: Ich glaube, es ist eine Herausforderung, so etwas einfaches wie ein Abendbrot richtig gut zu machen. Und das sollten wir alle ab und an mal versuchen.

Um noch mal ganz konkret bei Bier und Wurst zu bleiben: Welche Kombinationen würdest du empfehlen?

Versuch doch einfach mal in deinem Viertel zehn verschiedene Biere auf den Tisch zu bringen. Und dasselbe mit Wurst. Zehn unterschiedliche Sorten, nicht einfach Fleischwurst, Fleischwurst mit Stückchen und Fleischsalat, sondern wirklich unterschiedliche Wurstsorten. Dann riech erst einmal an beidem, der Wurst und dem Bier. Probier‘ und vergleich die unterschiedlichen Sorten. Dann finden sich die guten Paarungen von selber. Persönlich würde ich mir oder anderen nur ungern vorschreiben lassen, was gut schmeckt. Aber ich kann ein paar Empfindung weitergeben: Eine trockengereifte Wurst, eine „Ahle Leberwurst“ von einem Handwerksmetzger in Nordhessen, geht hervorragend mit einem Porter, das so eine leichte Kakaonote hat. Und ich finde dunkle Sachen, mürbe Geschichten Blutwurst, gehen gut mit Bieren, die ein bisschen süß daher kommen. Oder Rauchbiere mit geräucherten Sachen. Das kann auch mal klappen.

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“War leichter als gedacht.”

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Drei Mädels luden sieben Craft Beer Brauer zu einem Event in einer Berliner Künstlerkommune ein. Einfach so. Und die kamen, einfach so. Damit wurde “Licht zum Bier” ein ziemlich gelungenes Fest

Wie Berlinisch, das alles. So muss ein perfekter Samstag Nachmittag in den kühnsten Träumen der schönen, jungen Lonely-Planet-Ryanair-Touristen aus Schweden und UK aussehen, die Freitag für Freitag nach Berlin pilgern, weil es um Boxi und Görli halt so schön „edgy“ ist. Weil Kreuzberg wild und Neukölln noch viel wilder ist, und weil es irgendwo immer diese famosen, mal mehr mal weniger geheimen Parties gibt, in alten Lagerhallen, stillgelegten Fabriken, kaputten Häusern an der Spree.

Irgendwie ist das hier so eine, genau zwischen Kreuzberg und Neukölln in einer Fabriketage, zweiter Hinterhof, Treppe rauf. Ein kleiner Pfeil aus neonleuchtgrünem Tape auf dem Boden der Toreinfahrt könnte den Weg weisen. Könnte aber auch nicht, vielleicht ist es auch einfach nur Kunst oder Zufall. Aber dann: Weg stimmt doch. Leute reden, Gläser klirren, loungige Frühlingsnachmittagmusik. Das ist es wohl, das Event „Licht zum Bier“.

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Licht an in einem Kreuzköllner Hinterhof (Fotos: Stefan Peters)

So richtig viel wussten wohl die wenigsten, die herkamen. Ob das Event groß wird? Mehr Messe, mehr Party? Oder doch Kunstausstellung oder Vernissage? Und vor allem: Wer sind diese drei Mädels, die da so mir nichts dir nichts aus dem Nichts einfach so ein Craft Beer Event aus dem Boden gestampft haben?

Letzteres ist einfach. Gestatten: Sophie Ahrens, Leonie Schäfer und Elsa Gewehr. Alle Wahlberlinerinnen, alle 25 und alle irgendwie grundfröhlich. Zu Recht, ihr Craft-Beer-Kunst-Event läuft ja auch super. Sieben erstklassige Craft Beer Brauer sind höchstpersönlich da und zapfen, Ale-Mania, BrauKunstKeller, BrewBaker, Heidenpeters, Kehrwieder Kreativbrauerei, Ratsherrn und Schoppe Bräu. Dazu ein dezenter DJ und ein ziemlich guter Stullenmacher. Und schon nachmittags um Vier ist die Bude voll. Insofern: Freudekichern ist angebracht bei den Initiatorinnen von „Licht zum Bier“.

craft beer event

Sie waren’s: Sophie Ahrens, Leonie Schäfer und Elsa Gewehr haben das Berliner Craft Beer Event organisiert (v.l.n.r.; Foto: Stefan Peters)

Die erste Frage liegt auf der Hand: Warum? Wieso? Und überhaupt: Wie? Wie seid ihr auf die Idee gekommen, das hier zu machen?

Sophie: Also eigentlich war’s Elsa.

Elsa: Ich habe Craft Beer in Australien entdeckt. Als ich da eine Weile studiert habe, brauchte ich Geld und habe angefangen in einer Bar zu arbeiten. Zufällig war das eine riesige Craft Beer Bar mit 15 Zapfhähnen und 300 Flaschenbieren. Dabei habe ich immer mehr über Bier gelernt. Einmal durfte ich sogar eins brauen. Als ich dann vor einem Jahr zurück nach Deutschland gekommen bin, habe ich geschaut, was sich Craft Beer-mäßig hier tut und gesehen: Ein bisschen was, aber da geht noch mehr. Also habe ich mich mit den beiden Mädels zusammengetan. Im Grunde wollte wir zwei Sachen: Einerseits Craft Beer in Deutschland nach vorne bringen und andererseits einfach mal allen unseren Freunden zeigen, was diese Biere können.

Leonie: Jeder kennt Wein-Tastings und jedem ist klar, dass man Wein aus dem Glas und nicht aus der Flasche trinkt. Wir wollten jetzt ein Bewusstsein dafür schaffen, dass das mit Bier genauso funktioniert. Besser fast noch, weil es bei Bier eine noch eine viel breitere Geschmacksvielfalt gibt.

Und warum zum Bier dann auch noch Licht?

Sophie: Die Verbindung mit dem Thema Kunst und dem Studio U hier kam dann über dich, Leonie.

Leonie: Ich habe knapp drei Jahre bei Balestra Berlin gearbeitet. Balestra Berlin ist Teil vom Studio U, ein Kollektiv von hauptsächlich Lichtkünstlern. Wir fanden es charmant, beides, Bier und Lichtkunst, in einem neuen Kontext zu präsentieren, indem wir es kombinieren.

Und was macht Ihr im echten Leben, woher kennt Ihr Euch?

Sophie: Leonie und ich arbeiten im Bereich Filmproduktion, ich bewerbe mich gerade auf einen Master und mache vor allem Kurzfilm.

Leonie: Ich habe drei Jahre Regie studiert und parallel bei Balestra Berlin gearbeitet. Jetzt arbeite ich Vollzeit in einer Filmproduktion.

Elsa: Und ich studiere Psychologie. Leonie kenne ich schon lange aus Hamburg und mit Sophie wohne ich zusammen.

Das heißt, eigentlich hat keine von Euch im Bierbereich zu tun. War es denn vor dem Hintergrund schwer, die Brauer zu überreden hierher zu kommen und ihr Bier auszuschenken?

Elsa: Ehrlich gesagt, war es viel leichter als gedacht. Ich habe niemanden angerufen und niemandem eine Email geschrieben, sondern bin selber auf Veranstaltungen gegangen und habe geschaut, welches Bier schmeckt mir und welche Brauer sind nett. Einmal Craft Beer Day Hamburg, einmal Brau Kunst Live München – das reicht ja schon um sieben Brauer zusammenzukriegen. Ich habe einfach jedem ein bisschen von der Idee erzählt, und alle waren begeistert. Irgendwie hatten die Lust, bei so einer kleinen, nicht-kommerziellen Veranstaltung mitzumachen.

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Quasi Bierfest, nur in stylisch (Fotos: Stefan Peters)

Ist das denn damit vielleicht nur die Auftakt-Veranstaltung, die Premiere? Wollt ihr das wiederholen?

Sophie: Das wurden wir heute schon ein paar Mal gefragt. Wir haben uns darüber noch gar keine Gedanken gemacht…

Elsa: Eigentlich wollten wir erst einmal schauen, wie es läuft und ob es uns Spaß macht. Bisher sind die Rückmeldungen super. Wobei ich auch sagen muss, dass das Thema Kunst und Bier besser angenommen wird als ich gedacht hätte. Gerade, dass die Bierwelt, also die Brauer selbst, so interessiert ist an dem Kunstaspekt, ist toll.

Sophie: Ich fände es auch wichtig, dass dieser Aspekt bei einer Wiederholung erhalten bliebe.

Leonie: Eigentlich wäre es auch cool, mit dem Studio U zu touren. Die Künstler packen ein paar Lichtinstallationen ein und dann machen wir das Event in mehreren Städten. Aber dann müsste man das natürlich anders aufziehen. Bisher ist es ja so: Niemand verdient an dieser Veranstaltung. Niemand. Wir haben es genau so gerechnet, dass die Kosten gedeckt werden und mehr nicht. Wir machen das alle, weil wir Spaß daran haben.

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Auf vielleicht bald wieder, schönes “Licht zum Bier”-Event! (Fotos:Stefan Peters)

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Wo schon DDR-Eisenbahner Bier tranken

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Zwei Ungarn und ein bekehrter Industriebiertrinker machen sich für Craft Beer in der Hauptstadt stark: Attila Kiss, Daniel Bart und Mark Hinz schmeißen das Berlin Craft Bier Fest

Hopfenreich Berlin

Markus Hinz (l.) und Attila Kiss (r.) sind Betreiber und Geschäftsführer der Craft Beer Bar “Hopfenreich”. Der Igel hingegen nur Deko. (Foto: NAK)

Dieser Name ist so gut, man könnte meinen, es sei ein Künstlername: Attila Kiss. Perfekt  für den  jugendlichen, strahlenweißgebissigen Moderator einer osteuropäischen Volksmusiksendung live vom Plattensee, zum Beispiel. Dem die runden, alten Damen mit den Kurzhaarschnitten, die auf Bierbänken sitzen und fröhlich schunkeln, mit dem Pálinka-Glas zuprosten. Kiss, Kiss, Attila Kiss!

Und schon sind wir genau da, wo Attila Kiss, also der echte Attila Kiss, der in Berlin an einem Tisch seiner neusten Bar sitzt und ein bisschen Baustaub wegfegt, wahrscheinlich unter keinen Umständen hinwollte: In einer komischen, dunklen Ecke voller hirnloser Vorurteile über Ungarn, zwischen Piroschka, feuriger Salami und Paprikaketten.

In Budapest hat die Craft Beer Revolution schon gewonnen

Beschämend, was für olles Zeug einem in Sinn kommt, wenn man an Ungern denkt und wie wenig man über das moderne, oder, ach, ganz normale, echte Ungarn weiß. Wer hätte etwa gedacht, dass in Budapest die Craft Beer Revolution schon vor fünf Jahren losging – und zwar richtig? „Die Craft Beer Szene in Ungarn blüht. Wirklich: Alle Kneipen da wollen Bier von kleinen, handwerklichen Brauereien haben. Und eine nach der anderen macht auf“, erzählt Attila Kiss.

Berlin Craft Bier Fest

Genau hingeschaut in Berlins neuster Craft Beer Bar, dem Hopfenreich (Fotos: NAK)

Er weiß das, weil er ein erfahrener Gastronom ist. Vor dreizehn Jahren hat Attila Kiss, 38, eine Bar in Budapest eröffnet, das Szimpla Kert. Bis heute bombig erfolgreich. Steht quasi in jedem Reiseführer. Außerdem ist Attila Kiss gut mit Daniel Bart befreundet, einem ungarischen Journalist, Bierblogger und Mitbegründer des Craft Beer Festivals “Fözdefeszt” in Budapest.

Drei Lokale, ein Braufest plus das Berlin Craft Bier Fest

„Mit Daniel zusammen habe ich das Thema also eine Weile beobachtet und mich gewundert, warum es das in Deutschland so lange gar nicht gab“, erzählt Kiss, der nun seit sieben Jahren in Berlin lebt und auch hier zwei, nein, seit ein paar Tagen sogar drei erfolgreiche Läden betreibt, das Kaffeehaus Szimpla, das Badehaus Szimpla und das nigelnagelneue Hopfenreich. „Ich will nicht sagen, dass wir es angestoßen haben, aber wir waren schon sehr früh dabei, als Craft Beer dann plötzlich anfing.“ Im September 2014 veranstalteten Kiss mit Daniel Bart und seinem deutschen Geschäftspartner Mark Hinz das „Braufest Berlin“. Erfolgreiche Sache, drei sonnige Tage mit über engagierten 20 Brauern (von BrauKunstKeller über Beer4Wedding und Vagabund Brauerei, bis Schneider Weisse) und rund 5500 Besuchern.

Mark Hinz, 44, Mitbetreiber und -geschäftsführer des Hopfenreichs, der frisch eröffneten Berliner Craft Beer Bar in Kreuzberg, kommt aus der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sowie dem Veranstaltungsbereich, bisschen Booking, bisschen Eventmanagement, aber mit Bier hatte er bis vor eineinhalb Jahren eigentlich nichts am Hut. „Getrunken habe ich es gerne halt, Industriebier, meistens.“ Durch seine Arbeit für Kiss‘ Badehaus Szimpla kam er auf den Craft Beer Geschmack. „Ich habe mich dem Thema zunächst ganz professionell angenähert“, sagt er, „mich damit auseinandergesetzt, mich reingelesen, reingetrunken und abgewogen, was auf dem Markt so geht.“ Eine Menge, stellte er fest. Aber noch viel wichtiger: „Die Biere sind super. Genau mein Ding.“

Berlin Craft Bier Fest

Den Igel gibt es im Hopfenreich nur einmal. Zapfhähne hingegen 14 (!) /Fotos: NAK)

„So ein Konzept wie das Braufest gab es noch nicht“, sagt Attila Kiss, „bei den Craft Beer Events bis dahin wurde das ganze immer für Feinschmecker präsentiert, ich wollte das Thema aber mit dem Fest-Charakter an ein breiteres Publikum bringen.“ Und genau darum geht es auch bei Kiss, Bart und Hinz‘ neuestem Projekt: dem „Berlin Craft Bier Fest“. Das steigt am 30. und 31. Mai auf dem RAW Gelände in Berlin Friedrichshain.

(Kleiner Exkurs aus der Rubrik unnützes Wissen: RAW steht für „Reichsbahnausbesserungswerk“, ein schönes Wort mit fast so vielen Buchstaben wie ein durchschnittlich langes ungarisches. Kiss‘ „Badehaus Szimpla“ auf diesem alten Industriegelände war tatsächlich einmal ein solches, hier haben den DDR-Eisenbahner nach ihrer Schicht geduscht. Aber das nur so.)

Zwölf Craft Beer Macher, alle Berliner

Elf Berliner (und ein Potsdamer) Craft Beer Brauer werden ihre Stände aufbauen, zwei davon so frisch geschlüpft, dass sie dort Öffentlichkeits-Premiere feiern. Es wird zu Essen geben, ein paar Tastings und Musik – aber erst am Abend, im Aftershowprogramm. „Das war uns wichtig“, sagt Mark Hinz, „sonst wäre das gleich so eine Art Kiezfest geworden.“ Und das ist es ja nicht, es geht schon in erster Linie und ganz bewusst um Bier, Craft Beer. Trotzdem sprechen sie nicht von einer Messe. Auch „Berliner Craft Bier Informationsveranstaltung“ wäre total falsch, sagt Hinz und lacht. Auch wenn Information eine Rolle spielt: „Beim Braufest letztes Jahr haben wir beobachtet: Wenn Brauer selbst anwesend sind, fragen die Leute ganz automatisch nach. Und so kommt da auch viel Information rüber.“ „Wir möchten ja vor allem Leute ansprechen, für die das Thema komplett neu ist“, sagt Attila Kiss. „Unter diesem Aspekt ist die Wahl des Ortes auch extrem wichtig“, führt Hinz fort. Das RAW-Gelände ist als Ausgeh-und Abhäng-Area gerade bei den 25 bis 35-Jährigen beliebt. „Damit ist die Hemmschwelle gering.“ Und Eintritt kostet das ganze auch keinen.

Während auf dem Braufest Berlin letztes Jahr (so wie übrigens auch kommenden September wieder) Craft Beer Macher aus ganz Deutschland, Ungarn, Österreich und der Slowakei dabei waren, ist das Craft Bier Fest Berlin den Berliner Brauern vorbehalten. Ganz bewusst: „Wir sind überzeugt, dass Berlin in der Szene ganz wichtig wird“, sagt Kiss. „Die Stadt ist wie geschaffen dafür: Sie hat eine eigene Biergeschichte, amerikanische Einflüsse kommen hier leichter durch als anderswo, man hat die Fachleute, weil man Biermachen hier sogar studieren kann, und die Leute, die gut essen und trinken wollen.“ Und dann gibt es da ja auch noch Leute wie Attila Kiss und Mark Hinz, die sich mit Bars und Events so für gutes Bier einsetzen. Worauf man ihnen fast mit einem Pálinka zuprosten möchte.

Berlin Craft Bier Fest

Das Berlin Craft Bier Fest findet am 30.&31.Mai 2014 statt, jeweils 12-23 Uhr auf dem RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain. (Foto: StP)

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Der Prototyp

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Fritz Wülfing ist der Prototyp des Craft Beer Machers: Fing als Home Brewer an, wurde für sein Bier gefeiert und startete mit Ale-Mania ein richtiges Unternehmen. Neben seinem eigentlichen Job, wohlgemerkt.

Ale-Mania fritzale Fritz Wülfing

Bilderbuch-Craft-Beer-Revolutionär: Fritz Wülfing aus Bonn gründete “Fritzale”, das jetzt “Ale-Mania” heißt. (Foto: StP)

Gleich wird es hier um Fritz Wülfing gehen. Einen leisen, freundlichen, schlauen und  bescheidenen Mann aus Bonn, der – aber das würde er selbst nie, niemals zugeben – ohne Zweifel einer der größten Stars der deutschen Craft Beer Szene ist.

Wir fangen allerdings mit Jimmy Carter an. Weil dem Jimmy Carter, dem würde der Fritz Wülfing gefallen. Schließlich ging es ihm damals, im Oktober 1978, als er die Craft Beer Revolution lostrat (oder auch nicht, umstrittene These, kommen wir gleich zu), um genau solche Leute wie den Fritz Wülfing.

Mit HR 1337 unterschrieb Präsident Carter ein Gesetz, das den Amerikanern erlaubte, zuhause Bier zu brauen. Richtiges Bier. Seit der Prohibition war verboten gewesen, Bier mit mehr als 0,5% Alkohol selbst zu machen. Dieser Akt kann gut und gern als die Geburtsstunde der amerikanischen Homebrewing-Bewegung angesehen werden. Und aus der wiederum ging das Craft Beer Movement hervor, zumindest ein Teil davon. (Eine zweite Gesetzesänderung, die als wegweisend gilt, kam 1982/83, als in einigen Staaten das Betreiben von „Brewpubs“ legalisiert wurde. Mit der hatte Carter nichts zu tun, insofern war er es sicherlich nicht allein, der Craft Beer möglich gemacht hat, aber man darf und sollte durchaus mal von ihm erzählen, wenn es um die Geschichte des Craft Beer geht.)

Es fing harmlos an. Als Hobby.

Nachdem Carters Home-Brewing-Bill also durch war, fingen Leute wie Fritz Wülfing an, Bier zu machen: Leute, die nicht wirklich vom Fach waren, erst einmal nur für sich und ein paar Freunde brauten, in ihrer Küche oder Garage. Leute, die zunächst nur Spaß am Brauen selbst hatten, aber irgendwann einen gewissen Ehrgeiz entwickelten, immer bessere Biere zu machen. Sie fingen an, mit unterschiedlichen Bierstilen herumzuexperimentieren, probierten besondere Zutaten und tauschten sich über ihr Gebräu aus –  aber alles abends und an den Wochenenden. Untertags hatten sie ganz normale, nicht-Bier-verbundene Day-Jobs.

Genauso war das bei Fritz Wülfing. Nur eben vor etwa zehn Jahren, nicht in den Achtzigern. Und in Bonn, nicht irgendwo im Mittleren Westen. Ein bisschen zufällig, ein bisschen inspiriert von einer USA-Reise, und vor allem weil er, wie er selbst sagt, immer schon ein “bewusster Biertrinker” war, fing der Ingenieur an, zu brauen. Als Hobby. Neben seinem Fulltimejob als Verfahrenstechniker bei der Deutschen Telekom. Dann ist das Hobby irgendwie außer Kontrolle geraten, es wuchs und wuchs. Je mehr Bier Wülfing braute, desto besser wurde es. Und je besser das Bier wurde, desto mehr braute er davon. Weil Freunde und Bekannte ihn darum baten, weil es so verdammt lecker war. Irgendwann machte der Homebrewer sich auf die Suche nach einer Brauerei außer Haus, in der er sein Bier im großen Stil und – ja, warum auch nicht – für den Verkauf brauen konnte. Er gründete also – alles neben dem Job bei der Telekom – eine Biermarke, die zunächst „Fritzale“ und heute „Ale-Mania“ heißt.

Ale-Mania Fritz Wülfing

Ale-Mania beim Craft Beer Event “Licht zum Bier” in Berlin. Da präsentierte Fritz Wülfing ein “Cooperation Brew”, einen Gemeinschaftssud, den er mit Johannes Heidenpeter (Heidenpeters, Berlin) gemacht hat. Arbeitsname: “Verbocktes Kölsch mit Salbei” (Fotos: StP)

Ab da war Wülfing das, was er „Kuckucksbrauer“ nennt. In den USA spricht man von Gypsy Brewern, hier manchmal von Wanderbrauern. Wülfing bleibt beim Kuckuck  – und das passt ja auch tatsächlich ganz gut: Es geht um Brauer, die keine eigene Brauerei haben, keine Kessel, Gärtanks, Lagerhallen, sondern stattdessen die Einrichtungen anderer nutzen. Sie buchen sich sudweise da ein.

Dann wurde das Hobby serious business. Und zu Ale-Mania.

Es dauerte, bis Wülfing sein perfektes Nest fand. Rohstoffversorgung, Brauanlagen und vor allem das Mindset der Gastgeber muss stimmen, wenn man mitten in Westdeutschland amerikanische Biere brauen will. Die ersten „Fritzales“ waren Pale Ales und IPAs, ein Imperial IPA war dabei, ein American IPA, ein Stout. Aktuell gibt es eine Gose, ab Herbst ein Imperial Red Ale. Mit der Vormann-Brauerei in Hagen-Dahl fand der Hobbybrauer einen geeigneten Partner.  Allerdings hundert Kilometer weit weg von Bonn. Einfach Strecke. „Die Fahrerei ist ein ganz schöner Zeitfresser“, sagt Wülfing, „die Familie leidet ein bisschen darunter.“ Zwar gäbe es die Möglichkeit, den Braumeister dort  allein arbeiten zu lassen, aber: „Ich kann das Brauen nicht delegieren, ich muss das selber machen.“

Ab diesem Sommer, spätestens Herbst und allerspätestens bis Ende des Jahres wird sich das ändern. Der Ex-Homebrewer wird dann nämlich ein Ganz-in-der-Nähe-von-Home-Brewer: Fritz Wülfing hat – noch mal: neben seinem Vollzeitjob als Verfahrenstechniker – eine Firma gegründet, die Biersmarck GmbH. Abgeleitet von Bismarck. Otto von Bismarck. Eigentlich, wenn man so darüber nachdenkt, der deutsche Jimmy Carter. Oder zumindest auch ein Staatsmann, der sich redlich um Bier bemüht hat. Fritz Wülfing bezieht sich vor allem darauf, dass Bismarck die Bierabende eingeführt hat, an denen die Parlamentarier Arbeit und Genuss verbinden sollten.

Mit dieser Biersmarck GmbH baut Fritz Wülfing nun also sein eigenes Nest und wird in Bonn eine Ale-Mania Brauerei eröffnen. „Da kann ich dann mit dem Fahrrad hinfahren“, sagt er. Und freut sich. Man kann sich gut vorstellen, dass Jimmy Carter damals, im Oktober 1978, solche glücklichen Hobby-gets-serious-business-Brauer im Sinn hatte, als er das Homebrewing legalisierte.
Und der Bismarck hätte sein Bier sicher auch mal probiert, bei der harten Bier-Spätschicht im Parlament.

Ale-Mania Fritz Wülfing

Bier steht klar im Vordergrund, aber entscheidend ist trotzdem, wer’s gemacht hat: Fritz Wülfing, unscharf, bei den Craft Beer Days 2013 in Berlin (Foto: StP)

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Uralt mit Flügeln

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Ein Mann aus Detroit, eine Höllenmaschine, ein brandneues Label und ein alter Bekannter: Flying Turtle Beer geht in Berlin an den Start

Flying Turtle Beer

Es grüßt: Dan Stein. Früher alles mögliche, vor allem Businessman. Jetzt Craft Beer Macher. Und seit Kurzem Berliner. (Foto: StP)

Hätte man sich ja denken können. Nichts läuft in dieser Stadt ohne den Craft Beer Don! Natürlich steckt hinter Berlins neuestem Craft Beer Dings kein geringerer als der Thorsten Schoppe. Wieder mal hat er sein Sudhaus zur Verfügung gestellt (und sein Know-How und seine Erfahrung, seine Zeit und sein Herzblut irgendwie auch) und hat einem Braunovizen die ersten Sude und damit den Start in die Craft Beer Welt ermöglicht.

Der Novize, das ist Dan Stein. Geboren in Detroit, Michigan, früher mal Besitzer einer Web-Development-Firma in Chicago, dann acht Jahre Manager eines Pharmakonzerns in der Schweiz und vor vier Monaten hier in Berlin angekommen. Mit der fixen Idee im Kopf, in die noch so junge aber wie er findet eben auch sehr reizende, deutsche Craft Beer Szene einzusteigen.

Auf dem Berlin Craft Beer Fest im Friedrichshainer RAW-Gelände, organisiert und veranstaltet von den Machern des Hopfenreichs und des Badehaus Szimpla, präsentierte er erstmal sein Craft Beer Lable „The Flying Turtle“. Dabei zapfte der Amerikaner ein Pils und ein Pale Ale aus einer ziemlich verrückten Höllenmaschine: Einem halb elektrischen Beer-Bike im Look eines Otto-Liliennthal-Fluggerätes. Oder so ähnlich.

Flying Turtle Beer

Bier, Bike und Bärte am mobilen Stand von “The Flying Turtle” auf dem Berlin Craft Bier Fest Ende Mai. (Fotos: StP)

Warum, Dan? Warum Craft Beer, warum eine Fahrrad-Zapfanlage, warum mit dem Thorsten Schoppe?

Warum das alles, quasi. Berechtigte Frage. Zumal, wenn man sich das einmal ganz pragmatisch überlegt: Ich hatte bis vor Kurzem noch einen ziemlich soliden, gut bezahlten Job in Genf. Den habe ich aufgegeben für ein innovatives, nicht dienstleistungsbasiertes Business. Bei solchen Geschäftsmodellen muss man immer erst einmal viel Geld investieren, um überhaupt anfangen zu können. Dann muss man unglaublich lange viel und vor allem umsonst arbeiten, um das Unternehmen ins Laufen zu bekommen. Und selbst dann wird man noch ewig ohne zu verdienen weitermalochen, weil man erst die Leute, die für einen arbeiten, bezahlen muss, ehe überhaupt mal etwas hängen bleibt. Das heißt, am Ende gibt man für so eine Idee wahnsinnig viel Geld aus. Wenn ich vor einem Jahr gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich bestimmt gezögert, das alles zu machen, den Job zu kündigen und ins Craft Beer Business einzusteigen. Aber ich bin  gottfroh, dass ich das damals alles nicht wusste. Denn jetzt lebe ich meinen Traum.

Ok, der Traum war also als Quereinsteiger und Gypsy Brewer ein Unternehmen zu starten. Warum gerade hier in Berlin?

Das habe ich fast ein Jahr lang abgewogen. Seit ich den Entschluss gefasst hatte, dass ich was in Sachen Craft Beer machen wollte, habe ich überlegt, ob in der Schweiz, wo ich die letzten acht Jahre gelebt habe, oder in Berlin. Die Schweiz ist an sich natürlich ein toller Markt, da gibt es viel Geld und da kann man schnell viel verdienen. Aber was mir an der deutschen Craft Beer Szene sehr gefällt ist, dass sie zwar klein sein mag, aber alle kooperieren irgendwie miteinander. So hat es in den USA ja auch angefangen. Das Craft Beer Movement hat ganz viel mit der Gemeinschaft der Leute, die es antreiben, zu tun.

So wie du ja nun auch mit Thorsten Schoppe kooperierst?

Genau. Klar, Thorsten ist der Brauer von uns beiden. Ich komme mehr aus dem Bereich Business und Zahlen, habe zwar immer wieder und auch stets sehr gern in der Gastronomie gearbeitet, aber am Ende betrachte ich mich als einen jener Generalisten, die alles ein bisschen und nichts so richtig können. Thorsten also ist der Fachmann, ich sage ihm, was für Biere ich gerne machen würde, er erklärt, wie und was geht und was nicht. Am Ende kommt ein Produkt heraus, das wir zusammen auf dem Weg dahin entwickelt haben.
Wir wollen aber in Sachen Kooperation noch viel weiter gehen.  Mittelfristig. Wenn wir mal über das reden, was in 18 Monaten sein könnte: Thorsten und ich möchten eine lokale, kleine Brauerei in Berlin aufbauen, die zum einen eine Schule für Homebrewer sein soll. Thorsten gibt ja jetzt schon Homebrewer-Kurse in seiner Brauerei am Südstern und er liebt das. Die neue Brauerei wäre so etwas wie ein experimentales Braulabor, nur so ein eineinhalb bis zwei Hektoliter Sudhaus, in dem Homebrewer sich ausprobieren und vernetzen können. Ein „Knowledge-Sharing-Space“, so zu sagen.  Zum anderen wollen wir die überschüssige Kapazität dieser Anlage dann jenen Homebrewern zur Verfügung stellen, die den nächsten Schritt gehen wollen und ihre Biere auch mal auf dem Markt bringen wollen. Gypsy Brewer könnten sich da einmieten. Damit wollen wir diesen Community-Gedanken vertiefen und klar machen, dass es in der Craft Beer Welt darum geht, Wissen zu teilen und zusammenzuarbeiten.

Flying Turtle Beer

Kommt zu den Trinkern: Die Schildkröte per Propeller, das Bier mittels Beer-Bike (Fotos: StP)

Und warum „Flying Turtle“?

Das ist eine Metapher: Da ist einmal die Schildkröte, die steht für das Traditionelle, das Uralte, Langsame. Und ihr verleihen wir Flügel, nehmen ihr damit das Ehrfurchtsvolle und machen sie leicht und innovativ. Immer, wenn man zwei Dinge zusammenbringt, die eigentlich nicht zusammen passen, bekommt man etwas Magisches, Überraschendes und Großartiges.

OK. Und dann noch das Bike. Das Beer-Bike. Das Ding kann richtig fahren, hat einen kleinen Elektromotor und Platz für zwei dreißig Liter Fässer mit Zapfanlage oben drauf. Warum und wo kommt die Idee dazu her?

Aus meinem verrückten Kopf und Herzen! Ich wollte einen außergewöhnlichen Weg finden, Craft Beer zu den Leuten zu bringen. Ich wollte quasi eine Brücke bauen. Denn mir ist klar geworden, dass Craft Beer in Deutschland immer noch nur eher vereinzelt auftaucht, Verfügbarkeit ist ein Problem und ich möchte diese Biere eben ein Stück weiter greifbar machen. Im Grunde geht es ja darum, den Leuten zu zeigen, was Craft Beer ist und mit dem Bike komme ich ihnen dafür einfach entgegen geradelt.

Flying Turtle Beer

Blue Rubber Thumbs Up: Dan Stein und einer seiner Ausschankhelfer am kuriosen Zapf-Fahrrad (Foto: StP)

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Das Leben ist Lambic

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Teppichhändler, Regisseur, Zapfer: Als Bart Neirynck seine belgische Bierbar Herman in Berlin-Prenzlauer Berg eröffnete, dachte er nicht, dass die mal so etwas wie eine Craft Beer Bar würde. Weil die Belgier das Wort Craft Beer auch nicht so mögen

Belgische Bierbar

Glas statt Klappe: Bart Neirynck hat Film studiert bevor er in Berlin das Herman aufgemacht hat (Foto: NAK)

Das Leben ist Lambic.
Könnte man sagen.
Manches passiert irgendwie einfach so. Ganz spontan.

Nehmen wir zum Beispiel das Leben von Bart Neirynck: Geboren und aufgewachsen in Südwestflandern, sieben Jahre Kunststudium in Gent, Malerei, dann ein Jahr in den USA, wo er sich am San Francisco Art Institute für „Underground Filmmaking“ einschrieb. „Das ist so die Schule von Stan Brakhage, Jonas Mekas, Ernie Gehr”, erklärt der Belgier. “Eher abstrakte Filme. Wobei ich selbst eigentlich auch immer gern narrativ arbeiten wollte. Ich wollte Spielfilme machen. Von Orson Welles bin ich zum Beispiel ein großer Fan.“

Nach seiner Rückkehr nach Belgien arbeitet Neirynck aber erst einmal im Teppichunternehmen seines Großvaters. Mit dem Geld, das er verdient, zieht er dann nach Rom. „Die haben eine ziemlich lebendige Filmszene da.” Statt aber so richtig tief in der, landet der Belgier in der ewigen Stadt hinter dem Tresen einer schwedischen Bar am Campo de’ Fiori . Er lernt Zapfen, Italienisch und vor allem seine Freundin kennen. Eineinhalb Jahre später zieht er zu ihr nach Deutschland. Nach Berlin.

Zapfhahn statt Pinsel und Regiestuhl

Hier arbeitet der Filmemacher sieben Jahre in einem Irish Pub. Er versteht mehr und mehr wie das geht, das Bar-Machen. Gefällt ihm, irgendwie, und im Dezember 2012 eröffnete Bart Neirynck aus Südwestflandern, der eigentlich Malerei studiert hat und Filme machen wollte, eine belgische Bierbar in Berlin-Prenzlauer Berg, benannt nach seinem früheren Deutschlehrer – Herman. „Ich bin überhaupt nicht melancholisch oder so“, sagt der Belgier an einem Sommernachmittag, kurz bevor er das große Glasfenster zur Straße hin und damit seine Bar für den heutigen Abend öffnet. „Wenn Film für mich erst einmal kein Thema ist, mache ich eben diese Bar. Das andere läuft mir ja nicht weg. Filme, die ich mag, kann ich immer noch jederzeit schauen.“ Dann lächelt er – ein ganz kleine bisschen, ist generell mehr so ein nur-ein-ganz-kleines-bisschen-Lächler, der Belgier. „Ich glaube allerdings, dass ich in mir drin schon immer noch ein Filmemacher bin. Ich denke wie einer.“

Belgische Bierbar

Der Herr, der so sanft von der Getränkekarte lächelt, ist der Deutschlehrer, nach dem die Bar benannt ist. Zudem hängt das gesamte Bierangebot an der Wand hinter dem Tresen. (Fotos: NAK)

Das mit dem belgischen Bier, das war etwas, das „irgendwie nahelag“. „Ich habe immer gern Bier getrunken, bin aber kein Bierfetischist“, sagt der Belgier. Und zugegeben: „In gewisser Weise war es schon ein besonderer Reiz, ausgerechnet hier, im Land des Bieres, eine Bierbar zu eröffnen.“ Vor allem aber ist Bart Neirynck mit seiner Bar angetreten, ein bisschen aufzuräumen mit den Vorurteilen über sein Heimatland. Die Deutschen wüssten in der Regel nur wenig über Belgien, und vieles des Wenigen sei noch dazu falsch: Flamen und Wallonen stehen keineswegs ständig kurz vor einem Bürgerkrieg, Belgien ist nicht nur ein mausgrauer EU-Beamten-Sitz oder eine gelblich beleuchtete Autobahndurchfahrt nach Frankreich und – „Das stört mich jedes Mal unheimlich!“ sagt der Kunsthochschulabsolvent – Rubens war kein niederländischer Maler.
Rubens. War. Belgier. Merken!

Die deutsche Unwissenheit setzte sich in Sachen belgisches Bier fort: Nein, Hoegaarden ist kein holländisches sondern belgisches Bier und nicht alle Biere aus Belgien sind Fruchtbomben, sauer oder wie-auch-immer-wunderlich-aufgeputschte Kapitalverstöße gegen das Deutsche Reinheitsgebot. „Ich finde dieses Reinheitsgebot an sich ja gar nicht schlimm“ sagt der nachsichtige Belgier. „Es zeigt halt einfach ganz gut, wie die Deutschen ticken.“ Man könne daraus eine gewisse Ablehnung gegen alles Unvorhersehbare ablesen, findet er. Dabei ist doch eigentlich wie gesagt das ganze Leben wie spontanvergorenes Bier: Man weiß nie ganz genau, was am Ende rauskommt.

In Belgien nennen sie es Bier

Den meisten Gästen im Herman ist das Deutsche Reinheitsgebot piepegal. Das sind nämlich keine Deutschen. „Der Anfang war sehr schwer. Und als nach zwei Wochen endlich die ersten Gäste hier reingetropft kamen, waren das Skandinavier, Amerikaner und Engländer“, erzählt Neirynck. Bis heute wird im Herman mehr Englisch als Deutsch gesprochen, wobei der Anteil der Deutschen ständig wächst. Vorallem jüngere Deutsche kommen. Oft und gern aus der Craft Beer Fraktion.

Die schätzt der Barmann, wenngleich das Herman nicht wirklich als Craft Beer Bar zu verstehen ist: „Ich kenne keine belgische Brauerei, die sich selbst als Craft Brewery bezeichnen würde“, sagt er. „Auch ‚Handwerk‘ oder ‚Manufaktur‘ schreibt sich da keiner auf die Flaschen. In Belgien nennen wir das einfach nur Bier.“ Trotzdem gibt es kleine, jüngere Brauer, die auch ein besonders gehopftes Bier brauen, experimentell unterwegs sind, deren Philosophie im Grunde der einer Craft Brewery entspricht. „Die haben dann aber nicht auch gleich so eine durchdachte Corporate Identity wie ein Mikkeller oder so verrückte Namen für ihre Biere wie BrewDog.“

Neirynck plant, mehr und mehr dieser neuen Brauereien in seiner Karte mit den rund hundert Bieren aufzunehmen. Die soll künftig aufgeteilt sein in klassische belgische Bier und „New School“, quasi. „Ein IPA muss man heute wohl im Angebot haben, auch wenn das kein typisch belgischer Bierstil ist”, sagt er. “Aber es öffnet viele Türen. Viele fangen damit an. Und wer so in das Thema einsteigt, den kann man vielleicht für immer für gutes Bier gewinnen. Er muss ja dann auch nicht ewig beim IPA bleiben.“ Das ist so wie mit dem Leben halt auch. Oder wie mit Sauerbier.

Belgische Bierbar

Manchmal zapft Bart Neirynck mit DJ-Begleitung, jetzt läuft im Herman Fußball. Neiryncks erklärtes Ziel für die nächste Zukunft: “Mit Belgien Weltmeister werden.” Aber es ist ja so mit dem Leben, oft kommt es anders, als man denkt… (Foto: NAK)

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Brauen wie ein Boss

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Mit viel Radau machten James Watt und Martin Dickie BrewDog zur berüchtigsten Craft Beer Brauerei der Welt. Und wurden dabei – aus Versehen – zu Geschäftsmännern an der Spitze eines Millionenunternehmens. Dabei sind sie im Herzen Punks.

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Martin Dickie (links) und James Watt (unter der Kapuze) vor der BrewDog Bar in Aberdeen. (Foto:PR)

Der Captain – so nennt er sich selbst, der Gründer, der CEO, der Chef von all dem – der Captain also sitzt auf dem allerletzten Hocker am Tresen, dem kurz vorm Klo. Ganz allein. Er hat ein Tasting Tray, ein Verkostungstablett, mit drei kleinen Gläsern Bier vor und einen Rollkoffer neben sich stehen. Und er sieht müde aus. Einerseits. Andererseits aber auch sehr busy. So wie er mit der Barchefin redet, das Bier verkostet – konzentriert, ernsthaft. Als wäre das sein Job.

Also: Ist es ja auch.

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In der BrewDog Bar Aberdeen. Wo man sich – laut Getränkekarte – anschnallen muss. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Vor sieben Jahren hat James Watt gemeinsam mit seinem Kumpel aus Kindertagen, Martin Dickie, eine winzig kleine Brauerei in Nordostschottland gegründet. Einfach so, ein bisschen zum Spaß, ein bisschen um auszuprobieren, und wer weiß: ein bisschen vielleicht auch aus Protest. Gegen lauwarmes Real Ale und langweiliges Lager. Gegen Mainstream und irgendwie auch gegen ein Leben in der Norm. Kurz zuvor hatte er, damals 24 Jahre alt, seinen soliden Job als Junganwalt hingeschmissen. „Ich kam einfach nicht mit der Vorstellung klar, dass ich mich da jetzt einer Karriere hingeben sollte, für die ich nicht brenne“, sagt er. Danach jobbte er erst einmal auf dem Fischerboot seines Vaters auf der Nordsee. Dann wurde er Boss eines rasant expandierenden, international erfolgreichen, millionenschweren Unternehmens. Was er eigentlich gar nicht gerne so sieht.

Es geht um Bier. Nicht um Geld.

„Man wirft mir immer vor, ich sei ein geborener Unternehmer“, sagt Watt, „einer, der schon auf dem Spielplatz Geschäfte gemacht hat – was stimmt: Ich habe da Bilder von Haien an die anderen Kids vercheckt. Aber: BrewDog haben wir nicht gegründet, um damit Geld zu machen, sondern um die Leute so für Bier zu begeistern, wie wir selbst es sind.“

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Anfang 2013 nahmen Watt und Dickie ihre schicke, neue Brauerei in Ellon, etwa 40 Autominuten nördlich von Aberdeen und fast an der Nordseeküste, in Betrieb. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Anfang Juni legte BrewDog einen aktuellen Unternehmensbericht vor. Wie schon seit Jahren ist und bleibt die Brauerei das am schnellsten wachsende Lebensmittelunternehmen Großbritanniens, machte 2013 einen Jahresumsatz von mehr als 18 Mio. Pfund, umgerechnet fast 23 Mio Euro, was einer Steigerung von – Achtung – 70 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Watts beschäftigt rund 300 Leute, braute im vergangenen Jahr 250.000 Hektoliter Bier und betreibt mittlerweile 18 Bars weltweit, in Aberdeen (die erste), London (die vermutlich wichtigste), Stockholm, Tokyo, Sao Paulo und irgendwann auch in Berlin. „Definitiv unser Ziel für Sommer 2014. Da machen wir in Berlin auf. Kannst du so in deinen Kalender eintragen“, sagt der Captain.

Und jetzt sitzt er also hier, der versehentliche Chef eines großen Erfolgsunternehmens und sieht müde aus. Die Bar in Camden sei nur ein Stopp zwischen zwei Flügen, sagt er, gleich muss er weiter, der Geschäftsmann, der eigentlich keiner sein will. Eher will Watt Punk sein. Ein Beer-Punk. Wie konnte das also passieren? Wie konnte aus den beiden Jungs, die 2007 noch von Hand abgefülltes Bier auf dem Wochenmarkt von Aberdeen verkauften, eine der berühmtberüchtigsten Craft Breweries der Welt werden? Damals hatten sie nicht viel mehr als einen blau-weiß gestreiften kleinen Stand, vor dem ein großer Hund namens Bracken saß. Deshalb übrigens auch BrewDOG. Ist leider 2012 verstorben. Sein welpiger Nachfolger heißt Simcoe.

BrewDog – Businesslektion, die wahrhaft Gold wert ist: Klappern gehört zum Handwerk

Vor allem natürlich wurde BrewDog, was es heute ist, weil James Watt und Martin Dickie verdammt gutes Bier brauen. Michael Jackson, Biertester und Autor mit Weltruhm, habe ihnen das kurz vor seinem Ableben bestätigt, sagt Watt. Martin Dickie hat das ja auch gelernt, das Biermachen. Watt selbst nicht: „Am Anfang war ich ein solcher Amateur, einmal habe ich meinen Schlüsselbund und mein Handy in den Braukessel fallen lassen und einen ganzen Sud Punk IPA zerstört“, erzählt er. Damals machten die beiden noch alles selber, Brauen, Vertrieb, Marketing, Logistik. Angestellte hätten sie sich ja nicht leisten können, sagt Watt, und einen Bankkredit wollten sie nicht aufnehmen. Stattdessen hatte er, und das ist sicherlich ein zweiter Teil ihres Erfolges, die Idee zu „Equity for Punk“, einer Art Crowdfunding- oder Beteiligungsmodell: Leute konnten sich Anteile an der Brauerei kaufen und erhielten dafür lebenslangen Rabatt auf BrewDog Bier, laut Motto “Beer for Punks”. In einer ersten Runde kamen so binnen zwei Tagen eine halbe Million Pfund zusammen, bei einer zweiten Runde 2011 fast ebenso schnell 2,2 Mio. Dann fingen Watt und Dickie an, eine schicke, große und neue Brauerei in Ellon, Schottland, zu bauen und mit ihren Franchise-Bars zu expandieren, die sie auch wiederum bekannter und damit größer und größer machten.

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Der Krake (ganz links) und der Brauer John Allen (ganz rechts) posieren in gleicher Pose. Teil der Corporate Identity, vielleicht. (Fotos: Nina Anika Klotz)

Nicht zuletzt sind aber freilich die dreist-genialen, krass-schlauen, bedacht-witzigen Marketing- und PR-Stunts von BrewDog der Schlüssel ihres Erfolgs: Ganz früh schon machten die Schotten zumindest in Beer-Geek-Kreisen von sich Reden, weil sie das stärkste Bier der Welt brauten. (Und überboten wurden. Nachlegten. Überboten wurden. Und wieder nachlegten.) Als sie in der Vorweihnachtszeit mit einem Panzer durch London fuhren, staunten allerdings auch Nicht-Biertrinker. Sie brauten ein Bier unter Wasser und füllten ein anderes in ausgestopften Eichhörnchen ab – das alles sind Sachen, mit denen man natürlich auf sich aufmerksam macht. Auch die TV-Shows in England und aktuell sogar in den USA tragen zum immensen Erfolg der Schotten bei.

Jetzt aber noch mal: Was ist denn nun eigentlich mit Deutschland und dieser Bar in Berlin? „Wir haben im Sommer 2013 angefangen nach einer Location zu suchen. Berlin ist schon der richtige Ort, eine deutsche Craft Beer Revolution zu starten“, so Watt. Gefunden habe man auch schon etwas: 150 Quadratmeter in Friedrichshain. „It’s going to be epic.“ Sagt er. Dann. Wenn’s soweit ist.

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Nochmal: Die Chefs. Martin Dickie, links, und James Watt, rechts. Oder andersherum. (Foto: PR)

 

(Mehr? OK: Eine ausführliche Reportage über einen Besuch bei BrewDog in Schottland ist in EFFILEE 2/13 erschienen)

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Bier, Schoko, Kaffee – same, same

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Vor sieben Jahren fing Rui Esteves mit “Brewers and Union” an, in Bayern Bier zu brauen. Kaufen konnte man das da allerdings bis dato nicht. Esteves braute Craft Beer für Südafrika, England und China. Aber jetzt ist Deutschland dran

Brewers and Union

Quasi-Brewer Rui Esteves- hier ohne seine Union (Foto: PR)

Rui Vieira Esteves ist Chef einer südafrikanischen Brauerei. Im Moment sitzt Rui Esteves vor seinem Laptop in einem Café in Prenzlauer Berg, Berlin. Trotzdem macht er da Chef-einer-Brauerei-Sachen. Das sei nämlich ganz großartig, erzählt der gebürtige Portugiese, als er dann seinen Rechner zuklappt: Mit seiner südafrikanischen Brauerei ist er völlig flexibel und kann arbeiten von wo er will. Denn eigentlich gibt es die südafrikanische Brauerei gar nicht, also zumindest nicht physisch. Esteves hat „Brewers and Union“ vor sieben Jahren als eine Art Gypsy-Brewery gegründet. Long-Distance-Gypsy: Von Anfang an braute er seine Biere in Belgien und Bayern, verkaufte sie aber erst in Südafrika, dann auch in England, später in China –und jetzt will er mit seinen Bieren auf den deutschen Craft Beer Markt. Um den Vertrieb hier aufzubauen und einfach aus Lust auf Berlin ist Rui vor ein paar Wochen hierher gezogen. Gefällt ihm. Solange er ab und zu noch nach Afrika zurück fliegen kann – zum Surfen.

Esteves bestellt einen Espresso. Er kriegt die Hausröstung. Kenianische Bohnen. Ganz frisch gemahlen. Natürlich. Hier in diesem Cafe, bei den Bonanza Coffee Roasters, nehmen sie das mit dem Kaffee sehr, sehr ernst. Kaufen ihre Bohnen direkt bei den Farmern, rösten selbst, bieten diverse Brüharten an, legen Wert auf Filterkaffee, megagroße Lattes mit Sirup gibt es nicht. Das alles passt ganz hervorragend. Der Neu-Berliner Rui Esteves schaut sich zufrieden um und sagt: „Die ganzen Leute, die für ihren Kaffee hierher kommen, werden auch mein Bier kaufen.“ Er ist sich da so sicher, weil er beides bestens kennt: Das Speciality Coffee Business und den Craft Beer Markt.

Brauer bist du ja nicht, oder?

Nein, ich habe Wirtschaftspsychologie und Verbraucheerverhalten studiert und dann mehrere Jahre im Kaffeegeschäft gearbeitet. Wir haben eine Coffeeshop-Kette in Südafrika aufgebaut und dann verkauft. Damals waren das acht Läden, heute gibt es glaube ich mehr als einhundert davon. 2007 habe ich dann mit Bier angefangen. Gefällt mir besser. Wobei beides eigentlich ziemlich ähnlich verläuft, wenn man ehrlich ist. Als wir im Kaffeegeschäft anfingen, stand es um Kaffee genau so schlecht wie um Bier, bevor Craft Beer kam: Es war ein Massenprodukt, das die Leute quasi täglich in sich hineinschütteten ohne groß darüber nachzudenken oder viel Wert auf Qualität zu legen. Wir fingen an, Kaffee als ein bewusst zu genießendes Qualitätsprodukt zu verkaufen. Da muss man am Anfang viel erklären, aber irgendwann lief es dann von selbst. Ich glaube, das ist fast so etwas wie ein natürlicher Trend. Die ganze Welt geht in diese Richtung: Wir lehnen uns auf gegen fette Konzerne, die Kunden bevormunden und geschmacklosen Mist verkaufen. Das ist mit Kaffee so gelaufen, davor schon mit Schokolade und jetzt also mit Bier. Ich denke sogar, das kann mit jedem Alltagsprodukt passieren, vielleicht ist es als nächstes Brot.

Läuft das denn aber auch in verschiedenen Ländern immer gleich? Wie war das denn zum Beispiel mit dem Craft Beer Boom in Südafrika – wann kam der?

Eigentlich haben wir den gezündet, als wir 2007 Brewers & Union gegründet haben. Damals gab es im ganzen Land vier Brauereien, die man irgendwie als „craft“ bezeichnen hätte können. Heute sind es ungefähr achtzig. Oder nimm UK als Beispiel: Vor vier bis fünf Jahren gab es da quasi kein Craft Beer, die letzten zwei Jahre ging das Thema aber durch die Decke. Im Grunde denke ich schon, dass der Erfolg von Craft Beer überall einigermaßen gleich verläuft, manche Länder sind nur eben etwas schneller als andere. In Deutschland muss man vielleicht erst noch ein paar Hürden in den Köpfen eingefleischter Biertrinker überwinden – aber das ist gar kein so großes Problem. Gerade bei den Jüngeren wird das immer leichter, die reisen viel, sind so weltoffen und gebildet – die haben schon gar nicht mehr so fixe Vorurteile über deutsches Bier, dass nur so und so gebraut das beste Welt ist, im Kopf.

Wieso habt Ihr Euch eigentlich für Deutschland als Brauort entschieden, lange bevor das auch als Absatzmarkt in Frage kam? Warum so ein langer Weg für dein Bier?

Eigentlich haben wir in Belgien angefangen und da drei Jahre gebraut. Ich bin nur hin und wieder von dort nach Deutschland gefahren mich umzuschauen und habe dabei festgestellt: Ich liebe es, mit Deutschen zusammenzuarbeiten. Das funktioniert einfach super, 100 Prozent zuverlässig. Den Deutschen, oder sagen wir lieber gleich ganz konkret: den deutschen Brauern wird ja bisweilen vorgeworfen, sie seien nicht wirklich kreativ. Keine Ahnung, ob das für die Mehrzahl stimmt, ich weiß nur, wenn man die richtigen Leute findet, kann man mit denen total kreativ sein, die sind dann sofort bereit und offen, Bier auch mal anders zu brauen. Und das, obwohl es für sie ja schon gewisses Risiko birgt, Stammkunden zu vergraulen. Denn das muss man ja auch sagen: Den Brauern allein kann man mangelnde Kreativität ohnehin nicht vorwerfen, wenn dann liegt es an den Kunden, die hier lange Zeit immer nur dasselbe Bier trinken wollten. Außerdem finde ich, dass unser Brauereikonzept hier perfekt funktioniert: Es gibt in Deutschland sehr viele kleine bis mittlere Brauereien, die ihre Kapazitäten selbst gar nicht ganz ausschöpfen können und bei denen man sich gut einmieten kann.

Und was ist mit dem Craft Beer Markt Deutschland? Auch so geil?

Schon. Auch wenn es natürlich Herausforderungen gibt. Noch habe ich beispielsweise keinen Vertrieb. Das ist aber übrigens auch überall auf der Welt schwierig für die kleinen Brauer, da haben die Konzerne mit ihren Monopolen und Verträgen den Markt ganz schön kaputt gemacht. Dann ist da das deutsche Pfandsystem, mit dem wir uns arrangieren müssen. Und natürlich immer die Balance Angebot-Nachfrage zu halten. Auch wieder für alle überall das gleiche Problem: Zum einen will man nicht überproduzieren, zum anderen dann, wenn es auf einmal richtig losgeht, den Kunden nicht sagen müssen, sorry, ich kann nicht liefern.  Also alles in allem ist das kein leichtes Geschäft, aber wir wissen, wo die größten Hürden sind. Wir starten ja nicht ganz neu, unser Business läuft seit sieben Jahren und wie verkaufen gut in drei Ländern.

China finde ich ja spannend. Verkauft ihr da auch als „Craft Beer“?

Ja, die ziehen da längst nach. Dunkles Bier läuft dort deutlich besser als anderswo und natürlich das IPA. Zur Zeit – und ich glaube, das wird auch in Deutschland nicht schlecht gehen – verkaufen wir unser Sunday Easy IPA ziemlich gut. Scheint ein genereller Trend zu sein: Die etwas leichteren Sachen sind wieder gefragter.

Brewers and Union

Kommt: Hier und da taucht Brewers and Union schon in Deutschland auf. Zum Beispiel auf dem Berlin Craft Bier Fest Ende Mai (Fotos: StP)

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Craft Beer for the Soul

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Als drei Amerikaner die Vagabund Brauerei in Berlin gründeten, waren sie auf einen schlimmen Shitstorm und große Vorurteile der Deutschen (Erfinder des Reinheitsgebots!) über amerikanisches Bier (Bud-Plörre aus Dosen!) gefasst. Dann kam’s anders

Vagabund Brauerei

Brauer mit Geschichtsstudium, Lehrerfahrung und Kita-Karriere: David Spengler, Tom Crozier und Matt Walthall (v.l.n.r.; Foto: NAK)

Wenn man doch nur schon früher wüsste, was man später weiß, wäre man nicht immer hinterher so viel schlauer als vorher sondern schon davor. Und das wäre super.

Wenn die drei Jungs von der Vagabund Brauerei in Berlin-Wedding zum Beispiel vor einem Jahr gewusst hätten, wie famos das alles läuft, das mit ihrem Bier, der eigenen Brauerei, dem Brewpub und vor allem das mit den Deutschen, dann hätten sie vermutlich schon viel früher damit angefangen. Dann hätten sie ihre Jobs als Englischlehrer und Kindergärtner viel früher aufgegeben. Und sich eine ganze Menge Kopfzerbrechen gespart.

„Wir gingen einfach davon aus, dass es nicht leicht wird, wenn wir als Amerikaner hier in Deutschland, dem Bierland, versuchen mit ganz anderen Bieren, mit amerikansichen Bieren, durchzukommen“, erzählt Tom Crozier aus Maryland. „Zeitweise haben wir sogar überlegt, es ganz zu verheimlichen, Amerikaner zu sein. Wir haben hin und her überlegt, wie wir das machen könnten“, sagt Matt Walthall, auch Maryland. „Und wir hatten uns, als wir anfingen, unseren Businessplan zu schreiben, erst einmal total auf die Expats hier in der Stadt fokussiert. Wir dachten, die ganzen Amerikaner in Berlin sind unsere Zielgruppe, die wissen, was Craft Beer ist, das sind die easy-sells“, erinnert sich David Spengler, der aus Buffalo, New York, kommt.

Vagabund Brauerei

Der Vagabund Brewpub in Berlin-Wedding. Kein klassischer Szenekiez. Trotzdem fast immer voll. (Fotos: NAK)

Ziemlich genau ein Jahr ist das alles jetzt her, da ging die Vagabund Brauerei in Berlin Wedding an den Start. Entstanden aus einer Schnaps- bzw. Bieridee. Natürlich. Die drei Amerikaner spielen zusammen in einer Band. Und in dieser Band, einer Expat-Band, wurde immer viel rumgejammert, dass es in Deutschland keine so richtig geilen Biere gibt. Also keine fruchtigen Pale Ales, keine mutig-knackigen Seasonal Brews, sondern halt nur das immergleiche Pils-Helles-Weißbier-Zeug. Deshalb fingen sie an, selbst und zuhause zu brauen. „Die komplizierteste, aber auch unterhaltsamste Lösung für unser Dilemma“, sagt Crozier. Keiner der drei hat Brauen gelernt, zwei sind studierte Historiker, einer Journalist, es wurde viel gegooglet und sicherlich auch mal was zum Klo runtergespült, aber alles in allem kam dabei schon bald ziemlich gutes Bier heraus. Und der Plan, das in größerem Stil zu machen.

Faire Finanzierung: Bierabo gegen Einlage

Im April 2013 eröffneten die drei Wahlberliner eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext. 20.000 Euro Startkapital sollten her für Gärtanks, Pumpen, Zapfanlage, solche Sachen. Ziel war es, 30 Investoren für eine „Kiezbrauerei“  oder viel mehr – weil damals ja noch die anderen Berlin-Amis im Fokus standen – eine  „community supported brewery“ zusammen zu bekommen,  die je nach Einlage ein Jahr oder lebenslang alle zwei Wochen einen Liter frisches Bier bekämen. Viel schneller als gedacht, war das erreicht. „Und wir waren echt überrascht: 90 Prozent unserer Investoren sind Deutsche“, sagt Walthall.

Hätten die Vagabunden das früher gewusst, wären sie vielleicht am Anfang gar nicht so supervorsichtig gewesen. Damals, in einem ersten Interview über ihr Vorhaben, waren sie nämlich noch höchstbemüht, dem deutschen Biertrinker bloß nicht auf den Schlips zu treten: „Also es ist ja nicht so, dass deutsches Bier nicht gut wäre…“ wagte Tom Crozier sich vor. „Nein, absolut, es geht hier überhaupt nicht um Qualität“, sprang ihm Matt Walthall zur Seite. Und auch David Spengler versicherte: „Es gibt eine Menge gutes deutsches Bier. Was fehlt, ist nur die Vielfalt.“

Damals erzählten die drei auch noch, dass die Brauerei ein Nebengeschäft sein sollte, neben ihren Dayjobs her. Gebraut wurde deshalb nur einmal pro Woche, der Brewpub war an drei Abenden geöffnet, da wechselten sich die Lehrer mit den Schichten ab. Ach, hätten damals nur schon gewusst, was sie heute wissen.

Vagabund Brauerei

Auf dem Berlin Craft Bier Fest Ende Mai gewannen die Vagabunden mit ihrem Szechuan Saison Platz Eins als bestes Berliner Craft Beer. (Fotos: StP)

Dass das nicht ausreicht wurde dann aber so oder so schnell klar. David Spengler schmiss seinen Job letztes Jahr im November und begann sich fulltime um die Vagabund Brauerei zu kümmern. Mag sich komisch anhören, sagt er, aber irgendwie sei Bier brauen „more fullfilling for the soul“ als English zu unterrichten. Tom Crozier zog nach und zuletzt hat nun auch Matt Walthalll seinen Job in einem Kindergarten gekündigt. „Mit eher gemischten Gefühlen“, wie er zugibt. „Ich habe das immerhin sieben Jahre lang sehr gern gemacht.“ Irgendwie werden ihm die Kinder sicher fehlen. „Und wenn ich jetzt sage: ‚Ich bin von Beruf Brauer‘ komme ich mir schon noch ein bisschen komisch vor.“

Andererseits: Mit fröhlich bis ausgelassene Menschen, die viel kichern, manchmal undeutlich sprechen und auch mal gewisse motorische Schwächen zeigen, hat man es ja im Bier-Bar-Business auch zu tun. Und das läuft bei den Vagabunden richtig gut, mittlerweile haben sie Mittwoch bis Samstag geöffnet, wochenends ist es oft übervoll, oft genug sind mehr Mädels da als Jungs, die Mischung Expats-Kiezpeople-Styleberlinern funktioniere hervorragend.

Da geht noch mehr

Insofern blicken die drei fortan-also-echt-Brauer mit dem, was sie jetzt wissen, optimistisch nach vorne. Endlich können sie öfter als immer nur montags brauen. Damit dann mal Schluss ist mit den Running-Gag in der Berliner Craft Beer Szene, dass die Vagabunden die sind, mit den Superbieren, die immer schon aus sind. Fast als wären sie nur eine Fatamorgana. Kaum sind sie da, sind sie auch schon wieder weg, ausgetrunken. Und wer weiß, sagt Matt, ohne dabei wirklich viel zu sagen, vielleicht bleibt es ja auch nicht bei diesem einen Brewpub.

Tja, wenn man jetzt nur schon wüsste, was man später weiß – man wüsste tatsächlich ein bisschen mehr.

Vagabund Brauerei

Flasche leer? Nein, bald nicht mehr: Ab diesem Sommer werden die Vagabunden öfter als einmal pro Woche brauen können. (Foto: NAK)

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Halb Stammtischbruder, halb Revolutionär

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Der Stoiber hat mal was über Laptop und Lederhosen gesagt . Beim Chef der Brauerei Riegele versteht man, was gemeint war. Tradition und Moderne vereinen ist die Story of Sebastian Priller-Riegeles life.

Riegele

Ex-Business-Consultant, aber trotzdem nett: Sebastian Benedikt Priller-Riegele (Foto: NAK)

„Grüß Gott. Ich bin Unternehmensberater aber trotzdem nett.“ So habe Sebastian Priller-Riegele sich fünf Jahre lang immer vorgestellt, sagt er. Vier davon hat er für die Boston Consulting Group in Berlin, eines in München gearbeitet. Obwohl er eigentlich nie Berater werden wollte, aber erstens muss jeder in der Riegele-Familie mal raus, erzählt er, jede Generation soll Erfahrungen außerhalb des Familienunternehmens sammeln, egal als was. Und zweitens ist so ein Beraterjob ja das Naheliegendste nach einem BWL-Studium. „Wie sagt man so schön? Wer nichts wird, wird Betriebswirt“, sagt Sebastian Priller-Riegele nonchalant und lacht laut. Nonchalante-zum-laut-Lachen-Sprüche hat er einige auf Lager, der 38-Jährige Geschäftsmann im Janker, zugleich fröhlicher Vater von zwei kleinen Töchtern und engagierter, so schnell und klar redend wir denkender CEO eines mittelgroßen Unternehmens.

Ganz im Ernst erzählt er dann weiter, warum er vor acht Jahren die Geschäftsführung der Brauerei übernommen hat. Sein Vater habe ja schon gar nicht mehr damit gerechnet, aber: „Irgendwann wurde mir klar, dass ich zwar ein immer besserer Berater, aber gleichzeitig ein immer schlechterer Unternehmer werde. Und da wusste ich: Ich muss nach Hause.“

Daheim ist’s am schönsten

Nach Hause, das ist in Augsburg. Seit 1386 Sitz der Brauerei, die wiederum seit 1884 im Besitz der Familie Riegele ist. Sie liegt mitten in der Stadt, direkt neben dem Hauptbahnhof, dazu ein frisch renoviertes Wirtshaus, das im neo-bavaro Look aus Lounge-Beleuchtung-meets-geile-alte-Massivholzmöbel-und-so seinem Namen irgendwie nicht ganz gerecht wird, und ein ausnehmend gepflegter Biergarten. „Schönes Leben hier“ steht über dem Eingang. Ein Werbeslogan, den Priller-Riegele sich zu Beginn seiner Zeit hier ausgedacht hat. Und so ist das wohl: „Ich bin ja unter dem Motto ‚Halbes Gehalt aber doppelter Spaß‘ von BCG hierher gekommen“, sagt er nonchalant und lacht laut, „aber ich habe es keine Sekunde bereut. Jetzt mache ich endlich das, was wirklich meine Leidenschaft ist.“

Riegele

Brauereirundgang. Gibt der Chef gerne. Man muss aber schnell sein, um ihm hinterher zu kommen. (Fotos: NAK)

Und das ist Bierbrauen. Und Bier verkaufen. Beides ein bisschen anders, ein bisschen schlauer, besser wohl, als andere 700 Jahre alte bayerische Traditionsbrauereien. So spielt Riegele beispielsweise voll in der Craft Beer Liga mit. Allerdings ohne dieses Wort zu verwenden. Sebastian Priller-Riegele spricht immerzu von “Brauspezialitäten”, wenn er seine in anderer Leute Augen craft beer-mäßigen Spezialbiere meint. Gebraut werden die in einer „Micro“, einem kleinen Versuchs- und Spezialitätensudhaus (im Riegele-Sprech eine “Manufaktur”), das sie vor gut zehn Jahren eingerichtet haben, nach dem Vater und Sohn Priller-Riegele durch die USA getourt waren und 36 Microbreweries besucht hatten, um zu verstehen, was die da so machen.

Der Augsburger spricht außerdem von einer „Reise zurück zum Produkt“ wenn es um die Craft Beer Bewegung geht. Das mag im ersten Moment ein bisschen luftblasig klingen, doch wenn der Ex-BCG-Berater erklärt, wie er das meint, macht es durchaus Sinn: „Ich habe nie verstanden, warum Brauer eigentlich immer so viel über Ausstattung, Werbung und Preise reden – aber so gut wie nie über das Produkt.“ Dabei wäre das doch das Logischste: Mit dem Bier, das man braut, überzeugen.

Wie immer und auch ganz anders

Nun fährt Sebastian Priller-Riegele, der Mann der einerseits Sätze sagt wie „Bier braucht Heimat“ und andererseits wohl das einzige bayerische Brauhaus betreibt an dessen Außenwand sich ein Cascade-Hopfen emporwindet, also zweigleisig: Im neugestalteten Shop vor dem Wirtshauses verkauft er Spezialitätenboxen mit seitenlangen Biergenussbeschreibungen, in denen von Hopfensorten bis Trinktemperatur alles für Aficionados erklärt wird, und der Trinkglaspokal kommt auch gleich mit, während drinnen am Stammtisch schon vormittags Alt-Männerrunden hocken und das „Commerzienrat Riegele“ Halbe-weise trinken. Wie immer. Immer schon. Angst, die zu vergraulen, wenn da jetzt der umtriebige Juniorchef ankommt (der was mal in Berlin gelebt hat!), der plötzlich Biere brauen lässt, die „Noctus 100“ oder „Dulcis 12“ heißen (neumodisches Zeug!), hat er nicht. (Aktuell hat er acht solche „Brauspezialitäten“ mit fancy Namen im Sortiment. Da kommt aber noch mehr: Beim Brauereirundgang führt der Juniorchef auch stolz in seinen Reifekeller, wo die ersten Fasslagerungen und Vintage-Geschichten im Werden sind.)

Riegele

“Schönes Leben hier”, findet Priller-Riegele und hat das als Werbechef der Brauerei zum offiziellen Slogan gemacht. (Fotos: NAK)

Trotzdem betont Sebastian Priller-Riegele in diesem Zusammenhang natürlich schnell, dass ihm beide Zielgruppen wichtig sind, die, denen Simcoe und Amarillo ein Begriff sind, ebenso wie die, die „ein Bier, bitte“ bestellen. Spannend ist, wie der Laptop-und-Lederhosen-Vorzeige-Bayer die beiden Bierarten voneinander abgrenzt und zugleich „craft“ für sich definiert: „Während die Traditionsbrauerei sagt: Ich habe zwar schwankende Rohstoffe, aber durch meine ausgeklügelte Braukunst schaffe ich es dennoch immer an meinen Traditionsgeschmack zu kommen. Hingegen ist es bei den Craft Bieren, oder den – wie es bei mir heißt – Brauspezialitäten so, dass man sagt: Ich füge mich dem, dass meine Rohstoffe schwanken und erhebe nicht den Anspruch, dass jeder Sud gleich schmeckt. Die Philosophie ist wie die eines Winzers, der auch von Jahrgang zu Jahrgang schaut, wie sein Wein wird. Das ist meine Definition von Craft: Sich auf das einlassen, was rauskommt.“

Riegele

Vorne: Der Brauereichef. Hinten: Sein Cascade. (Foto: NAK)

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Trinken, nicht quatschen.

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Nawid Samawat und Holger Groll schenken im Chicago Williams BBQ zu Pastrami und Pulled Pork verdammt gutes Bier aus. Sie bringen Craft Beer in die Szene-Gastro – ohne ein Luxus-Riesen-Experten-Ding daraus zu machen.  

Chicago Williams BBQ

At your service: Holger Groll (l.),  Nawid Samawat (l.) und im Hintergrund der Smoker vom Chicago Williams BBQ in Berlin

Jetzt ist er in Fahrt. Am Anfang sah es so aus, als wäre Holger Groll heute nicht so fürs Reden. Das Intro hat er ganz seinem Geschäftspartner Nawid Samawat überlassen, während er sich zwei Zigaretten nacheinander angezündet, Apfelschorle getrunken und knurrig geschaut hat. Aber jetzt ist er on fire. Denn Holger Groll, Franke, Koch, Barmann und Chef eines kleinen Restaurants, will mal was klarstellen: „Gutes Bier soll ganz normal sein. Wenn hier einer reinkommt und von sich selber sagt: ‚Ich bin ein Bier-Geek‘, muss ich leider sagen: Dann kauf dir eine Kiste gemischtes Bier, geh damit nach hause und hab‘ keinen Spaß.” Statt über einzelne Hopfensorten oder das perfekt geschwungene IPA-Glas zu philosophieren, sollte man gutes Bier doch lieber einfach nur genießen. Das gelte für alle guten Lebensmittel: Spaß dran haben. Nicht hypen und zerreden. “Über einen guten Schinken aus Spanien diskutiere ich ja auch nicht, sondern ich will den essen und genießen. Und dann maximal sagen: Was für ein geiler Schinken.“

Craft Beer, Edelbrot, alles Mist

Dabei hätten “Bier-Nerds” durchaus Grund, sich in Holgers und Nawids Laden in Berlin-Mitte zu verirren, weil er einer von den wenigen ist, die eine eine anständige Craft Beer Auswahl bieten. Hier ist Craft Beer in der Szene-Gastro angekommen. Was Holger allerdings auch schon zum nächsten Punkt bringt: „Craft Beer. Den Begriff mag ich nicht. Das ist echtes Bier und sonst nichts.“ Das sei genauso, wie wenn irgendwelche Bäcker im Fernsehen vorgestellt werden, die jetzt „Edelbrot“ backen. Nur weil sie es selber backen! Aus guten Zutaten! Nichts daran sei edel, „echtes Brot“ sei das, sagt Holger – ein unverfälschtes Produkt, wie man es früher gemacht hat.

Als die beiden Männer 2012 das Chicago Williams in Berlin-Mitte eröffnet haben, einen  kleinen Laden mit amerikanischer Männerkost, Pastrami, Pulled Pork, Mac’n’Cheese, aber keine Burger, hätten sie den Begriff Craft Beer nicht im Kopf gehabt. „Uns war wichtig, nur kleine, private Brauereien reinzunehmen. Die machen die besten Biere und müssen unterstützt werden, sonst sterben sie“, sagt Holger Groll. In ihren Kühlschränken stehen unter anderem Schönramer IPA, Schlenkerla Rauchbier, Eichhofener Pils und das eigens für sie dort gebraut und abgefüllte Chicago Williams Hell und Dunkel.

Chicago Williams BBQ

An der Wand steht, was auf den Teller kommt. Fleisch, vor allem. Ja, vor allem Fleisch. Und dazu gutes Bier. (Fotos: NAK)

Ach ein gutes Dunkles. Völlig unterschätzt, findet Nawid. „Ich finde das geil. Dieses Karamellige. Süß und süß addiert sich, das gibt eine Geschmacksexplosion. Und nachdem wir bei vielem, unseren Ribs zum Beispiel, immer ein bisschen Zucker rangeben, passen diese süßen Biere umso besser.“ Und: „Wir packen hier Rippe ohne Knochen auf Graubrot, mit Käse und Zwiebeln überbacken, Coleslaw und BBQ-Sauce. Das hat so einen intensiven Geschmack, wenn man da noch ein Rauchbier in dem Mund dazu kippt…“ Holger: „Da fliegst du weg.“

“Bier war für mich eine Dose Pennerglück”

Holger und Nawid haben sich am Tresen kennengelernt. Nawid war nach einigen Jahren Clubgastronomie in ein paar edleren Bars in Frankfurt gelandet, kam dann zurück nach Berlin und schenkte im Lebensstern aus. Holger betrieb zuletzt eine „ernsthafte“ Bar, wie er sagt. Eine, wo man klingeln muss und sie keinen Saft in die Cocktails kippen. „Aber irgendwann packst du das nicht mehr“, erzählt Nawid, „immer bis vier, fünf Uhr morgens arbeiten und wenn dann noch ein Stammgast kommt, bist du erst um acht raus.“ Holger hat ihn zum Bier gebracht. „Für mich als Berliner war Bier ja immer nur eine Dose Pennerglück.“ Er hatte eine Art Erweckungserlebnis im Sommer 2012, als Holger ihn mit in seine Heimat zu einem Brauereifest in Franken nahm. „Das war der Wahnsinn“, erzählt Nawid, „diese Vollidylle und alle trinken Bier, sind fröhlich und essen Stockerlfisch.“ „Steckerlfisch“, korrigiert Holger. Hört Nawid aber nicht und schwelgt ungebremst weiter: „Und diese grobe, frische Bratwurst! Den ganzen Abend habe ich Dunkles vom Fass getrunken.“

„In den nächsten Monaten und Jahren müssen wir aufpassen, dass nicht alle nur noch obergärig saufen, weil’s gerade hip und cool ist“, sagt Holger. „Wir haben hier in Deutschland die besten Hellen und das darf nicht in Vergessenheit geraten.“ Und überhaupt: „Bier war nie ein Luxusgut und man muss es auch nicht dazu erheben.“

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Angst vor den Freibiergesichtern

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Die Münchner können echt alles haben. Ein Hofbräuhaus, die Wiesn, eine exzellente Biergartenkultur und jetzt also auch noch ein famoses Craft Beer Event. Vergangenen Samstag fanden die Münchner Bierinseln statt, ein quer über die ganze Stadt und verschiedene Location verteiltes Groß-Craft-Beer-Tasting, quasi. Erdacht und organisiert von einer Weinfrau und einem Biermann

Münchner Bierinseln

Komm, schenk dir ein: Ein Craft Beer Event in weiß-blau. Fand am letzten Juli Wochenende statt und war ein großer Erfolg. (Foto: Stefan Peters)

Nicola Neumann hat vor lauter Aufregung den ganzen Tag noch nichts gegessen. Ein halbes Jahr hat die Weinexpertin gemeinsam mit Biersommelier Holger Hahn auf die ersten Münchner Bierinseln hingearbeitet. Und jetzt geht es gleich los. Also: hoffentlich. Hoffentlich geht es gleich richtig los. Sie weiß ja noch nicht, wie viele Leute wirklich kommen. Was für welche. Und wie das dann wird. Denn das ganze ist ein Experiment, wie sie selbst sagt.

Ein Experiment, für das es allerdings zumindest schon so etwas wie einen Vorversuch gab: Letztes Jahr veranstaltete Nicola Neumann die Münchner Weininseln. Das Prinzip war dasselbe: Verschiedene Münchner Lokalitäten, also Restaurants, Cafés, Bars und Läden, bieten an einem Nachmittag ein bestimmtes Verkostungsprogramm an. Mal mit den Produzenten, mal geleitet von einem Experten. Die Besucher hüpfen quasi von Insel zu Insel und fahren nacheinander so viele Stationen an, wie sie möchten. Und am Ende gibt es eine zentrale Party.

Bei den ersten Münchner Bierinseln haben 22 inhabergeführte Bierläden, Bars und Brauereien mitgemacht. Und – was Nicola Neumann, als sie vor lauter Aufregung hungrig Fragen beantwortet, noch nicht wissen konnte – rund 1000 Leute haben sich von Insel zu Insel getrunken. Die unterschiedlichsten Leute:  Männer in den besten Jahren und Lederhosen und Mädchen mit großen Tattoos und Undercut. Ältere Damen in akkurat gebügelten Blumenkleidern und Amerikanern mit zerknitterten Hemden.

Bierinseln

Auf los geht’s los: Die Eröffnungsveranstaltung der Münchner Bierinsel fand im Weissen Bräuhaus in der Innenstadt statt. (Fotos: Claudia Steinert)

Nicola, wie wird man als Weinfrau in der Bierszene eigentlich so empfangen?

Nicola: Mit ganz offenen Armen! Ich hatte sogar das Gefühl, dass die sich was von der Weinszene abschauen wollen, denn Wein ist selten ein Getränk, das man zum Betrunken werden in sich hineinschüttet. Genau diesen Stellenwert wollen die Bierliebhaber auch für Bier erreichen. Und Leute, die sensorisch anspruchsvolle Weine trinken, die finden auch in der Craft-Beer-Szene ähnliche Sachen.

Und was unterscheidet Wein- und Bierszene dennoch?

Nicola: Die Craft-Beer-Szene in München ist natürlich auch noch sehr jung. Zwar gibt es inzwischen einige Akteure, die das schon länger machen, aber für viele Teilnehmer der Bierinseln war es eine ganz neue Erfahrung, sich selbst zu bewerben und das Besondere am eigenen Laden hervorzuheben.

Holger: Die Weinszene ist einfach viel professioneller, im positiven wie im negativen. Einerseits sind die wirklich gut organisiert, andererseits ist da alles schon sehr festgelegt. Bei uns hingegen gibt es noch Pioniergeist.

Liegt das daran, dass es – zumindest in den USA – verbreitet ist, zu Hause zu brauen und so die ganzen Quereinsteiger in die Szene kommen?

Holger: Auf jeden Fall. Die meisten bekannten Craft-Beer-Brauer in den USA sind eigentlich gar keine professionellen Brauer, sondern leidenschaftliche Autodidakten. Die hatten auch bis 1978 keine Wahl, erst dann wurde die Prohibition für Brauer aufgehoben.

Nicola: Die Weinauswahl hierzulande ist riesig aber beim Bier ist die Geschmacksvielfalt regelrecht zusammengedampft. Wir bringen da wieder Aufwind rein und eine neue Wertigkeit für die kleinen Brauereien.

Unterscheidet sich das Bierinsel-Publikum von dem der Weininseln?

Nicola: Ich bin sicher, dass unsere Besucher alle mit dem Herz dabei sind. Davon gehe ich ganz fest aus. Aber ein bisschen Angst habe ich vor einem Ansturm an Freibiergesichtern.

Holger: Ich glaube schon, dass wir heute ein paar andere Leute sehen werden, aber ich habe keine Angst davor. Im Gegenteil, ich freue mich drauf. Obwohl ich denke, dass es bei den Insel-Besuchern eine Schnittmenge von 60 bis 70 Prozent geben könnte. Es gibt schließlich viele Biersommeliers, die Wein unglaublich schätzen und sich sehr damit beschäftigen. Auch umgekehrt wird das immer mehr ein Thema.

Thema Preis: Weintrinker sind ja durchaus bereit richtig viel Geld auszugeben. Wird das beim Bier auch mal so sein?

Holger: Die Craft-Beere liegen preislich ja oft deutlich über dem, was der normale Verbraucher für ein Bier bezahlen würde. Gerade ganz seltene Sachen, Jahrgangsbiere zum Beispiel, die es jetzt nicht mehr gibt, die werden für 500 oder 600 Dollar verkauft. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für Bier auch eines Tages Raritätenauktionen geben wird. Natürlich steht uns da manchmal das Mindesthaltbarkeitsdatum im Weg, aber Starkbiere mit über 6,5Vol% Alkohol werden mit jedem Jahr besser. Wenn Sie einen alten Kasten Doppelbock in der Garage finden, rufen Sie mich bitte an!

Münchner Bierinseln

Die waren’s: Holger Hahn und Nicola Neumann haben – das T-Shirt verrät’s – die erste Münchner Bierinsel organisiert (Foto: Claudia Steinert)

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Vom Craft Beer Monopol

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Die Leute im Norden können einiges in Sachen Craft Beer. Pelle Stridh etwa ist Gründer, Herausgeber und Chefredakteur eines Craft Beer Magazins, das sich sehen lassen kann: C/O Hops. Im Interview spricht er über den schrägen Biermarkt seines Heimatlandes und darüber, warum Craft Beer in Schweden trotzdem so gut funktioniert.

Craft Beer Schweden

Kennt sich aus: Pelle Stridh interessiert sich seit den Achtzigern für Craft Beer. 2009 gründete er “Allt om Öl” (“Alles über Bier”), 2013 das Prinz Magazin “C/O Hops”. Er ist Vorsitzender der skandinavischen Bier-Autoren-Gilde und befasst sich besonders gern damit, welches Bier zu welchem Essen passt. (Foto: C/O Hops)

Vor ziemlich genau einem Jahr brachte Pelle Stridh zum ersten Mal das überaus hübsche Craft Beer Magazin „C/O Hops“ heraus. (Es ist ganz stark anzunehmen, dass das Heft mindestens so schlau wie hübsch ist. Leider erscheint es bislang nur auf Schwedisch. Ein Blick hinein lohnt sich trotzdem, erstens, weil es wie gesagt wirklich sehr, sehr hübsch gestaltet ist und zweitens, weil man geschriebenes Schwedisch mit etwas Fantasie ja durchaus verstehen kann. (Hier die wichtigsten Vokabeln: öl = Bier, topp = hervorragend, craft beer = Craft Beer.) Gerade arbeitet der 49-Jährige an der sechsten Ausgabe des Magazins.

„In erster Linie wollten wir ein Magazin machen, dass selbst ‘craft’ ist, ein Stück Kunsthandwerk. Zweitens sollte es nicht nur etwas für die Craft Beer Geeks sein. Deshalb haben wir ein recht breites Themenspektrum: Ob man sich jetzt für Homebrewing interessiert, das Thema Food and Beer Pairings, Reisen rund um Bier – kommt alles darin vor. Und was mir ganz wichtig ist: Alle Artikel sind exklusiv, nichts davon ist jemals in anderen Medien erschienen“, sagt der Herausgeber. Selbst ist er kein Journalist, sondern Business Architekt, Berater mit Fokus auf IT und Geschäftsentwicklung. Das wunderschöne Heft macht er gemeinsam mit dem Art Director Johan Holm nach Feierabend. Eine Art Hobby. Zeitfressendes, gigantisches aber auch glücklich machendes Hobby.

„Man kann wohl sagen, dass ich ein Bier-Autor bin“, sagt Pelle Stridh. Seit 1987 interessiere er sich für Bier und 2009 hat er mit „Allt om Öl“ (Alles über Bier) Schwedens wichtigsten Bierblog gegründet. Mittlerweile gibt es in Schweden rund 140 Craft Breweries. Und das, wo das Thema Alkohol und der ganze Biermarkt gar nicht so unkompliziert da oben sind.

Bei „Alkohol in Schweden“ denke ich als erstes:  sauteuer. Dann fallen mir Booze Cruises auf der Ostsee ein und dann Schnaps. Trotzdem hat sich in Schweden eine ziemlich famose, große Craft Beer Szene entwickelt. Wie passt das zusammen?

Nun ja, groß ist relativ. Auch wenn man heute das Gefühl hat, dass Craft Beer in Schweden riesig ist, macht es unterm Strich doch nur gerade mal zwei Prozent des Gesamtbierkonsums aus. 98 Prozent des Bieres, das hierzulande getrunken wird, sind internationale Light Lager und so Zeug. Bis wir da sind, wo die Amerikaner in Sachen Craft Beer heute sind, ist es noch ein weiter Weg.

Und trotzdem ist es erstaunlich, dass sich überhaupt so eine Szene entwickelt hat, in einem Land, das Alkohol so streng reglementiert und so stark besteuert.

Das stimmt: Der schwedische Biermarkt hat seine ganz speziellen Eigenheiten. Das fängt damit an, dass man in Dänemark schwedisches Bier viel, viel billiger einkaufen kann als in Schweden. Deshalb heißt es auch, dass 99 Prozent des exportierten schwedischen Bieres irgendwann von Schweden zurückimportiert werden.
Allerdings ist die Sache mit den Steuern nur das eine. Das andere ist das  „Systembolaget“, das staatliche Unternehmen, dass das Monopol auf den Verkauf von Alkohol hierzulande hat.  Das heißt: Natürlich kann man in Schweden Craft Beer in Restaurants, Pubs und Bars trinken, will man es aber in der Flasche kaufen, gibt es nur die Systembolaget-Läden dafür.

Das ist in der Tat sehr speziell. Das muss die Entwicklung der Craft Beer Szene doch schwer beeinträchtigt haben, oder nicht?

Ja und nein, das Sysstembolaget hat sowohl Vor- als auch Nachteile für kleine, lokale Brauer ebenso wie für die Craft Beer Trinker, glaube ich. In den 1980ern gab es bei Systembolagte  37 verschiedene Sorten Bier. Das war natürlich öde. Heute aber gibt es ungefähr 1500. Und das ist für den Kunden natürlich toll. Wenn Systembolaget beispielsweise beschließt, ein gutes, amerikanisches Craft Beer in sein Sortiment aufzunehmen, kriegt man diese Marke gleich in allen Hunderten Läden in ganz Schweden, auch in der kleinsten Gemeinde noch. In Deutschland mag es vielleicht immer besser sortierte Bierläden geben, aber eine so breite Auswahl haben die dann doch oft nicht und man muss für ein bestimmtes Label dann weiter zu einem anderen Shop fahren.

Gilt das auch für schwedisches Craft Beer?

Im Grunde schon. Kleine Schwedische Craft Brewer müssen sich nicht um Versand und Logistik und so weiter kümmern, sobald sie bei Systembolaget gelistet sind. Wenn ich hier in Stockholm etwas von einer kleinen Craft Brewery in Göteborg höre, deren Bier ich mal probieren will, kann ich ganz einfach im Onlineshop von Systembolaget bestellen – und zwar auch mal nur ein oder zwei Flaschen. Den kleinen Brauer kostet der Versand nichts, das übernimmt Systembolaget.

Klingt nach einem immensen Vorteil, wo doch Logistik für kleine Brauer in Deutschland echt ein Problem ist. Zudem sind die Kunden in Schweden hohe Preise gewohnt, was auch ein Plus ist. Wo ist der Nachteil?

Was mehr und mehr Craft Brewer, aber auch Mikrodestiller, Whiskeymacher und die paar Winzer hier in Schweden, beklagen, ist, dass sie ihre eigenen Produkte nicht bei sich vor Ort verkaufen dürfen. So ein paar Flaschen in einem kleinen Shop bei der Brauerei anbieten zu können, das wäre schon gut. Es gibt sogar eine ziemlich angesagte Craft Brauerei, die aus Protest entschieden hat, dass sie nur nur für den Export produziert. Die Stimmen werden definitiv lauter und es kann schon sein, dass die Craft Beer Bewegung das Systembolaget verändern wird.

Craft Beer Schweden

Fünf Ausgaben des hübschen Heftes sind bereits erschienen. Und wer schwedisch kann, glaubt zu können, oder einfach nur Bilder schauen will (lohnt sich!) kann alle einzeln hier bestellen

 

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Der mit dem Kamel tanzt

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Am Sabbat bleibt das Sudhaus kalt. Aber an allen anderen Tagen der Woche braut David Cohen, Gründer von Dancing Camel in Tel Aviv, koschere Biere für Israel und ist damit der Craft Beer Pionier des Nahen Ostens

Dancing Camel

Was der wohl macht? Trucker, Sous-Chef oder Schlagzeuger? Nein, David Cohen macht koscheres Craft Beer (Foto: StP)

Wenn Deutschland irgendwann einmal den hinterletzten Superstar gefunden hat und es auch sonst nichts mehr zu casten gibt, weder Models noch Tänzer noch Schwiegertöchter, wenn dem Bachelor endlich die Rosen ausgegangen sind und auch der kritischste Kochsendungsjuror seinen Löffel abgibt, dann sollten Deutschlands Fernsehprogrammmacher unbedingt diese Show wiederbeleben, in der man die Berufe von Menschen raten muss, „Was bin ich?“. Und dann sollte David Cohen da mal antreten – er würde der „Was bin ich?“-Next-Maga-Superstar. Weil: Da kommt keiner drauf. Echt nicht.

David Cohen ist ein stattlicher Typ, mittelalt, Kippe im Mund, Bandana auf dem Kopf und er spricht New Yorkisch. Was könnte der wohl sein? Chef der Roadies von den Red Hot Chili Peppers vielleicht? MMA-Trainer? Oder doch Bio-Metzger?

Von einem, der auszog, sich alle Träume zu erfüllen

Alles falsch. David Cohen ist der Inhaber von zwei koscheren Bars in Tel Aviv und Israels Craft Beer Pionier. Ein gläubiger Jude aus New York, der, wie er selbst sagt, die beste Zeit seines Lebens als Zwanzigjähriger in einem Kibbuz erlebt hat und deshalb mit Ende Dreißig beschloss, den USA den Rücken zu kehren und ins Gelobte Land auszuwandern. Für immer. Mit Sack und Pack und seiner Frau – und einem recht gewagten Plan: Die erste Craft Beer Brauerei Israels zu eröffnen.

Wenn schon neu, dann ganz, habe er sich gesagt. „Ich war mit dem Umzug ja schon dabei, mir meine Träume zu erfüllen, warum sollte ich da mit meinem Beruf nicht gleich weiter machen?“ sagt er und klingt dabei recht routiniert, denn natürlich hat er diese Geschichte schon etliche Male erzählt. Cohen ist so etwas wie der Mikkeller des Nahen Ostens, der Star der Craft Beer Szene seines Landes. „Ich habe das als eine Chance der kompletten Renaissance gesehen, Neustart auf allen Ebenen.“ In New York hatte er als Buchhalter gearbeitet. Solche braucht man in Israel sicher auch, und es wäre bestimmt der leichtere Weg gewesen, hatte er aber keine Lust zu.

„Ich habe den Aufstieg von Craft Beer an der US-Ostküste komplett miterlebt“, erzählt Cohen. „Von der Seitenlinie, quasi. Als Konsument und Hobbybrauer. Mittelambitionierter Hobbybrauer, würde ich sagen.“ Möglicherweise würde seine Frau etwas anderes sagen: Seit David Cohen Ende der Achtziger Biere wie Samuel Adams, Sierra Nevada und Pete’s Wicked Ale neben den ollen Buds und Millers in den Regalen seines Brooklyner Liquor Stores auftauchen sah und von deren Geschmack schwer beeindruckt war, hatte er sich nach und nach einen ordentlichen Bierhobbyraum in ihrer kleinen Wohnung eingerichtet. Was “mittelambitionierte” Homebrewer eben so brauchen: Mehrere Tanks, Tonnen, Gärballons und – wichtig und wunderschön – einem eigenen Kühlschrank nur für Bier.

Dancing Camel

Die Dancing Camel Brauerei zu Gast beim Craft Beer Fest der GACBB in Berlin. (Fotos: StP)

Der Ex-Buchhalter rechnete sich seinen Neustart in Israel eigentlich ganz einfach aus: So wie die Begeisterung für Craft Beer ihn, seine Freunde und die ganzen USA gepackt hat, so müsste das in Israel doch auch funktionieren. Man müsste den neuen Landsleuten doch eigentlich nur zeigen, was sie bisher verpasst haben, und dann müsste das Middle-Eastern-Craft-Beer-Business doch boomen. Tat es aber nicht. Zumindest erst.

„Die Leute haben es anfangs einfach gar nicht verstanden, das Prinzip Craft Beer. Ich wurde ständig gefragt: Wo kommt dieser komische Geschmack in deinem Bier her und warum verlangst du so viel Geld dafür?“ Wegen einer sehr hohen Alkoholsteuer ist Bier Israel ohnehin schon teuer, auch ganz simples, dünn-plörriges Lager (der Topseller, wie überall auf der Welt). Dazu kommt, dass viele Israelis eher Wein trinken und Bier keine so große Sache ist. Schließlich hat das Land ja ziemlich famose Weine zu bieten.

Das alles merkte Cohen aber erst, als er 2006 sein Lebenstraum-Erfüllungsunternehmen bereits gestartet hatte. In einem ehemaligen Kornspeicher im Herzen Tel Avivs hatte er sich seine eigene Brauerei zusammengezimmert. Dafür hatte er eine ausrangierte Brauanlage aus den USA in zwei Containern rüber schiffen lassen. Er hat seine ersten Biere gebraut, ein American Pale Ale und ein Witbier, und er hatte sich einen hübschen Namen nebst Slogan für seine Craft Beer Brauerei ausgedacht: „Dancing Camel  – funny camel, serious beer.“ Dahinter steckt eine Fabel, erzählt er, in der ein Rabbi von einer Bande Räuber überfallen wird. Er fängt an, Gebete zu singen, so schön, dass die Kamele der Räuber anfangen zu tanzen und ihre Reiter ihm deshalb nichts tun können. Und dann passierte erst einmal gar nichts. Sein Geschäft dümpelte trübe vor sich hin.

Und plötzlich lief’s

Weil das Glück aber bekanntlich mit den Tüchtigen ist, passierte dann, drei, vier Jahre später plötzlich doch was: Die Craft Beer Revolution kam in Israel an. Ungefähr 2010 war das, erinnert sich Cohen. Da ging das von heute auf morgen und Schlag auf Schlag. Warum? Kann er gar nicht so genau sagen. Mag sein, dass es die Einwanderer aus den Staaten waren oder die kosmopoliten, jungen Israelis, die die Idee Craft Beer von ihren Reisen mitgebracht haben. Eigentlich ja auch egal. Wichtig ist, dass Cohens Geschäft mit dem besserem Bier plötzlich prima lief. Sein Brew Pub war jeden Abend voll – außer am Sabbat, da ist geschlossen, was ungewöhnlich ist für das feierfreudige Tel Aviv.

David Cohens Biere sind auch alle koscher. Was nicht weiter schwer ist, wie er mit einem Grinsen sagt: „Jedes nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraute Bier ist automatisch auch koscher. Aber nicht jedes koschere Bier muss nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut sein.“ Besonders gefeiert bei seinem Besuch auf dem Craft Beer Fest der GACBB wurde das „Leche del Diablo“, ein Witbier mit Chili. „Das einzige, was mir jetzt einfallen würde, wäre ein Oyster Stout: Das kann natürlich nicht koscher sein“, sagt Cohen. Ansonsten bekommt man eigentlich jedes gute Bier beim Rabbi durch. Dafür gibt es andere religiöse Gesetze, die ihn als gläubigen Brauer betreffen: So muss nach einer jüdischen Ackerbauregel der Boden alle sieben Jahre brach liegen. Das heißt alle sieben Jahre kann David Cohen nicht den israelischen Dattelhonig für sein IPA verwenden, den er so gerne dafür nimmt. „Dann muss ich auf türkischen ausweichen. “

Natürlich ist Cohen mit seiner guten Idee, bessere Biere für den Nahen Osten zu brauen, nicht alleine geblieben. Mittlerweile könne man schon von einer recht lebendigen Craft Beer Szene in Israel reden, sagt Cohen. Deutschland sei man bestimmt zwei Jahre voraus. Aber er kann uns da helfen: Gut möglich, dass es Dancing Camel Bier bald auch hierzulande da und dort mal zu kaufen gibt. Das sei ein spannender Markt, so Cohen, und er habe Spaß daran, den Beginn der Craft Beer Revolution ein drittes mal mitzuerleben.

Dancing Camel

Einmal Teil der Revolution, immer Teil der Revolution: David Cohen ist bereit für den Craft Beer Triumph in Deutschland. (Foto: StP)

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Beer Style Guide: SAISON

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Saison

Heidenpeters Saisonnière is a – guess what – Saison made in Berlin (Foto: StP)

 

The SAISON style is for you if you:

  • spend all day working in the field and are looking for a dry but refreshing thirst-quencher
  • enjoy a spicy, phenolic yeast complexity in your beer, but only trust regular brewer’s yeast
  • want to beat the trends and are looking for the next big style after the IPA

Style History

The Saison (sometimes called Farmhouse Ale) is a traditional Belgian Ale style, originating from Wallonia, along the border with France. It was brewed during the winter months, when farm hands (“saisoniers”) had less work to do in the field and in preparation for the spring and summer months, when the warmer temperatures made brewing impractical. Local yeast strains were used and shared between farms. Fermentation usually took place over an extended time before the beer was consumed. The finished beer would be pale blonde, with a peppery spiciness and an extremely dry body. Although it almost died out towards the end of the 20th century, there has been a rediscovery of this beer style, mainly driven by the U.S. craft beer enthusiasts. Modern interpretations tend to be higher in alcohol than the traditional versions and brewers in the U.S. now often add spices, especially ginger, in order to complement the character of the yeast profile. More recently, adventurous brewers have started to add Brettanomyces yeast during fermentation, in order to accentuate the barnyard/funk character, even though this is not a traditional component of the style.

Beer Style Guide

Appearance: Pale straw to light amber. Sometimes cloudy
ABV: Traditionally 3-6% ABV, but now up to 8%
Aroma: Peppery spiciness, with mild ester fruitiness and a hint of wild ‘barnyard’ character. Sometimes a mild sourness in the aroma.
Flavour: Round, distinctly ‘Belgian’ pear fruitiness from the esters. Mild pepper, clove and/or coriander. That comes through more as the beer warms. Mild bitter finish.
Body: Usually dry and refreshing. Saison yeast attenuates very highly and the brewer sometimes dries the beer even more by adding up to 10% sugar.

 

Recommended Saison Examples

  • The flagship: Saison Dupont (Brasserie Dupont srl). Available for example at Herman Belgian Beer Bar in Prenzlauer Berg, Berlin.
  • Modern interpretation: Brooklyn Sorachi Ace (Brooklyn Brewing Company). Wonderful, big interpretation of a Belgian Saison with a distinct lemongrass note from the underused Sorachi hop from Japan..
  • Locally brewed: Szechuan Saion (Vagabund Brauerei). The seasonal “Szechuan Saison” is brewed with Szechuan peppercorns, adding a slight citrus and mild numbing heat to the wonderful spiciness from the yeast. Delicious. Unfortunately, only a seasonal on tap at Vagabund Brauerei, Berlin 
Vagabund Brauerei's Szechuan Saison was voted best beer on Berlin Craft Bier Fest in May 2014 (Foto: StP)

Vagabund Brauerei’s Szechuan Saison was voted best beer on Berlin Craft Bier Fest in May 2014 (Foto: StP)

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Starten ist einfach. Bleiben schwer.

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Der Berliner Wein- und Bierhändler Rainer Wallisser vom Berlin Bier Shop schreibt, was neue Craft Beer Macher beachten sollten, wenn sie nicht nur mit einem neuen Bier auf den Markt kommen, sondern sich da auch behaupten wollen. Das ist nämlich gar nicht so einfach

Berlin Bier Shop

Kam vom Wein über Sake zu Craft Beer: Rainer Wallisser, Inhaber des Berlin Bier Shop (Foto: NAK)

Rainer Wallisser betreibt mit dem Berlin Bier Shop einen tadellos gut sortierten Craft Beer Laden ganz in der Nähe des Schloss Bellevue. Sämtliche deutsche Craft Beer Marken, belgisches, holländisches, amerikanisches und englisches Bier und er hat – das  muss aber bitteschön unter uns bleiben– einen ganz famosen Raritäten-Keller. Die Hälfte des Geschäfts allerdings steht voller Wein. Damit hat alles angefangen, Anfang der Achtziger: „Das war die Zeit, in der man jedes Wochenende auf einer Demo gegen Atomraketen war und ans Aussteigen dachte“, erzählt der Mann aus Heilbronn. Damals machte er ein landwirtschaftliches Praktikum in Italien, später eine Ausbildung im Weinbau. Anschließend studierte er Geschichte des Essens und Trinkens an der Universität Tübingen. Eine Zeit lang schrieb Rainer Wallisser dann für Tageszeitungen und Magazine über Wein, bis er nach Berlin zog und Weinhändler wurde.  Zum Bier, Craft Beer, kam er – dieses Leben liest sich wie eine ganze Getränkekarte – über Sake. Während eines Sake-Sommelier-Kurses  in Kaliforniern 2008 entdeckte er die besonderen, besseren Biere da drüben und fing an, ein paar davon in sein Sortiment in Berlin aufzunehmen. „Die ersten Jahre ist das nur so vor sich hingedümpelt, wir mussten viel unter Preis verkaufen, verschenken und zig Mal haben wir überlegt, wieder aufzuhören. Mit jeder Flasche Wein, die ich an den Platz des Bieres gestellt hätte, hätte ich mehr verdienen können.“ Seit zwei Jahren ist das anders.  Seit dem geht sein Craft Beer gut und seit dem klopfen alle Nase lang Neu-Brauer bei Rainer Wallisser an, weil sie gern mit ihren Flaschen in seine Regale wollen. „Das erste Bier einer neuen Craft Beer Marke verkauft sich eigentlich immer“, sagt der Händler. Die Craft Beer Kundschaft interessiert sich immer für Neues. „Spannend ist aber, was danach passiert.“ Hier erzählt er von seinen Erfahrungen und hat ein paar wertvolle Empfehlungen für junge Craft Brewer, die auch ihr zweites Bier an den Mann bringen wollen:

So erfreulich die Entwicklungen im Bereich Craft Beer in Deutschland auch sind – eines vorweg: Es ist nicht alles gut was unter dem Begriff Craft Beer angeboten wird. Grundsätzlich ist sogar eher Misstrauen angesagt, wenn der Begriff “Craft” auf dem Label auftaucht. Manche wollen nur mitmischen, weil sie glauben, dass man da gerade Geld verdienen kann. Weil es cool ist. Aber hip allein reicht nicht.

Das allerwichtigste ist und bleibt (und das sollte eigentlich selbstverständlich sein), dass die Qualität stimmt. Es muss nicht mir schmecken, schließlich sollen es ja die Kunden kaufen und trinken, aber das Bier muss einwandfrei, muss spannend und innovativ sein. Nochmal: Craft Beer heißt nicht automatisch, dass das Bier gut ist. Es gibt gutes Craft Beer und es gibt schlechtes Craft Beer. Im Grunde beschreibt der Begriff Craft Beer eine Business Idee. Und zwar eine ziemlich gute. Ich sträube mich deshalb gegen den Terminus “Revolution” – es handelt sich um eine sehr erfreuliche Erweiterung der Vielfalt. Nicht mehr, nicht weniger. Und gutes Bier gab es auch schon zuvor – wenn auch weniger. Nur hat sich früher kaum einer dafür interessiert.

Für mich als Händler ist es nie so leicht, ein Bier zu verkaufen, das noch keiner kennt, als eines, das bereits einen Namen hat. Dann kommt nämlich keiner hier rein und fragt: Haben Sie dies und jenes, sondern ich muss jede Flasche einzeln empfehlen. Für Biere mit den großen Namen zahlen die Leute gerne mehr, Namen wie Mikkeller und Brewdog lassen sich gut verkaufen. Auch bei den deutschen Crafts gibt es mittlerweile einige wenige, die wegen ihres Namens immer wieder nachgekauft werden, Hopfenstopfer, Braukunstkeller oder Fritz Ale bzw. Ale Mania, zum Beispiel.

Der Preis muss vernünftig sein

Bei den Newcomern ist es aber umso wichtiger, dass der Preis vernünftig ist. Hohe Preise für ein unbekanntes Produkt sind schwierig zu vermitteln. Dann wird das Bier oft nur einmal probiert. Die Craft Beer Interessierten sind ja glücklicherweise sehr neugierig. Manche kommen und fragen explizit: „Was gibt es Neues?“ Sie sind bereit, mal mehr Geld zu bezahlen, um etwas Neues auszuprobieren – aber eben nur einmal. Und auch nur für eine Flasche, niemals für eine Kiste. Viele kaufen Craft Beer als Geschenk, manchmal auch als Geschenk für sich selbst. Das soll dann schon eine ganz besondere Flasche sein. Aber dass im Fachhandel jemand von einer Sorte eine ganze Kiste kauft? Eher selten.

Berlin Bier Shop

Das Bier-Literatur-Regal und die leeren Flaschen garantieren: Der Chef hat Ahnung, wovon er spricht, wenn er über Bier redet. (Fotos: NAK)

Das habe ich auch aus meiner frühen Craft Beer Erfahrung gelernt: Ich rühre keine Palette mehr an. Nicht bei den Neuen. Bei einer Brauerei mit fünf, sechs verschiedenen Bieren, kann man das schon mal machen. Aber viele fangen mit nur einem oder zwei Bieren an. Logistisch sehr schwierig. Postversand ist zu teuer, das ist ein Posten, den man dann auch noch auf den Verkaufspreis rechnen muss. Derzeit ist die Lösung, dass die Brauer das Bier selbst bringen. Manches hole ich auch selber ab. Aber das kann beides nur eine vorübergehende Lösung sein. Think logistic!

Das ist beim Wein anders: Da gibt es Großhändler, bei denen man zwar auch oft eine Mindestanzahl zusammenstellen muss, aber da kann man sich ein Sortiment zusammenmischen aus 15 Weingütern und 60 Weinen. Außerdem hat Wein den Vorteil, dass da kein Haltbarkeitsdatum drauf ist. Bier mit einem halben Jahr Haltbarkeit oder weniger ist für den Einzelhandel meist ein Problem.

Jeder neue Craft Beer Brauer sollte sich auch überlegen, ob das Bierfachgeschäft der einzig richtige Platz für sein Bier ist. Und alle, die sich etabliert haben, sollten meines Erachtens nach versuchen in die Gastronomie zu kommen – und ins Ausland. Das machen manche ja auch schon, wer länger im Geschäft ist, verkauft auch ins Ausland. Weil man da ganz andere Preise bekommt. Und man sichert sich damit auch ab gegen die Großen, die die Preise hier in Deutschland irgendwann drücken werden. Man bekommt mittlerweile ein Störtebeker Atlantik Ale schon für 89 Cent. Das ist kein besonders gutes Bier, auch kein schlechtes, aber es ist eben das, was sich viele unter Craft Beer vorstellen: Ein bisschen was anderes für ein bisschen mehr Geld. Unter einem Euro ist ein guter Preis für die meisten, da kaufen sie auch mal Sixpacks. Damit haben die Großen den Preis gut getroffen. Braufactum (Radeberger) wird bereits günstiger, Köstritzer und Craft Werk (beide Bitburger) sind zwar als Craft umstritten, aber erschwinglich. Das können die sich – im Gegensatz zu den Kleinen – auch leisten. Sie haben neben den geringeren Produktionskosten eine bestehende Logistik, die haben teilweise den Getränkehandel im Unternehmen, sparen sich so Zwischenhändlerkosten, können sich Marketing leisten.

Newcomer-Checkliste: Label? Marketing? Regionalbezug?

Nicht nur für Craft Beer ist ein gutes Labeling wichtig. Viele Leute kaufen nach Etikett. Wenn das nicht passt, bleibt das Bier im Regal stehen. Das Label ist das erste, was die Leute sehen – wenn sie noch gar nichts über das Bier wissen. Außerdem ist ein cooles Produktmanagement Trumpf: Dazu gehört nicht nur der coole Braumeister, sondern vor allem eine gute Geschichte über die Brauerei und ihre Biere. Die macht den größten Unterschied zum “nur” guten Bier. Craft Bier hat und braucht die besseren Geschichten. Aber bloß nicht ins Klischée-Blabla abdriften…

Und was auch immer läuft, ist Regionalität. Berlin zum Bespiel. Es gibt Leute, die kommen hier rein und wollen Craft Beer aus Berlin, egal welche Sorte, egal von wem, Hauptsache Berlin. Es wurde so viel darüber geschrieben, dass Berlin das Mekka sei, deshalb kommen sie hier her und wollen Bier aus Berlin. Wobei das auch nicht nur für Berlin gilt: Ich denke, alles was regional ist, hat Zukunft.

Meiner Erfahrung nach sind Collaboration-Brews imagemäßig eine gute Sache. Die sind Identität stiftend und vermitteln das “Wir-sind-alle-eine-große-Familie”-Gefühl. Diese Identität ist bei Craft Beer enorm wichtig. Das war schon zu Beginn der amerikanischen Craft Beer Bewegung so – die ersten Biere hießen Liberty, Samuel Adams und Sierra Nevada – alles Namen mit klarem Amerika-Bezug und gegen die Massen- und Importbiere. Es wird nicht einfach, für die deutschen Craft Brewer zu bestehen, wenn sie es nicht schaffen, eine loyale Fangemeinde für sich zusammmenzubringen.

Und nicht zuletzt müssen alle Craft Beer Brauer, die neuen wie die alten, viel, viel Enthusiasmus für ihre Sache mitbringen. Nur damit kann und wird es klappen.
Berlin Bier Shop

Bier gewinnt: Eigentlich war der Berlin Bier Shop einmal ein reiner Weinladen… (Foto:NAK)

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  • Berlin Bier Shop Inhaber: Rainer Wallisser, Kirchstraße 23, 10557 Berlin-Tiergarten

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Wenn, dann richtig

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Simon Siemsglüß hat mit der Buddelship BrauereiHamburgs neuste Craft Brewery gegründet. Und so leise und nordisch-by-nature-entspannt er auch daher kommt – der Mann hat wirklich Ahnung und ziemlich Großes vor

buddelship brauerei hamburg

Sagt Ahoi: Simon Siemsglüß ist der Buddelship-Kapitän. (Foto: StP)

Tiga hat versagt. Wieder einmal. Wobei man ihr zu Gute halten muss: Lange macht sie diesen Job ja noch nicht. Tiga ist erst seit ein paar Wochen Brauereiwachhund. Noch lässt der Thai-Ridgeback und Shar-Pei-Mischling jeden Besucher schüchtern mit dem Schwanz wedelnd in die Buddelship Brauerei spazieren, mitten hinein ins Sudhaus, zwischen Gärtanks, Abfüllanlage und Etikettiermaschine, wo der Chef des Hauses, Simon Siemglüß, gerade druckfrische Aufkleber einfädelt. Nordischer Typ irgendwie, riesengroß, schlaksig und mit Vollbart, Football-T-Shirt, entspannt und leise.

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Brauen ist ja nur Teil des Jobs. Zum Craft Brewer sein, gehört auch jede Menge Kram (Fotos: StP)

Vergangenen Winter fand der 38-Jährige die Halle auf dem Gelände einer ehemaligen Fischkonservenfabrik. In den Kühlkellern, wo der Fisch gelagert wurde, haben heute Bands ihre Probenräume. Darüber, wo die Fische zerteilt und eingedost wurden, sind heute Werkstätten und kleine Unternehmen. Obwohl es hier, wie er erzählt, noch ordentlich nach Fisch gestunken hat, zog er im Januar mit seiner Idee ein. Der Idee, handwerklich gebrautes Bier zu machen. „Bier mit Charakter – unfiltriert und ohne Kompromisse“, wie es in seinem Slogan heißt. Also Craft Beer quasi. Aber den Begriff findet Siemsglüß irgendwie nicht so toll. „Das kommt mir für ein Bierland wie Deutschland etwas unnatürlich und teilweise ein bisschen überstrapaziert vor,” sagt er, “aber inhaltlich ist das schon richtig: handwerklich, klein, vielfältig.“ Er selbst vermeidet das Wort dennoch. Ihm seien Begrifflichkeiten eher unwichtig, es soll ja ums Bier gehen. Damit ist Simon Siemsglüß auch nur quasi einer der vielen, die im Laufe des vergangenen Jahre beschlossen haben, ihre Idee vom Craft Beer brauen umzusetzen.

Wagt mehr als viele andere

Überhaupt unterscheidet sich Siemsglüß von den meisten dieser vielen. Vor allen Dingen dadurch, dass er gleich zu Beginn den richtig großen Schritt gegangen ist: Nachdem der Mietvertrag für die Ex-Fischhalle in Hamburg-Stellingen unterschrieben war, schlug er sich wacker in einer Behörden-Zualssungs-Genehmigungen-Sie-brauchen-da-bitte-noch-einen-Stempel-aber-ziehen-Sie-erst-einmal-eine-Wartemarke-Odysse und kaufte sich seine 10-Hektoliter-Brauanlage zusammen. Allein einer der großen Gärtanks hat 10.000 Euro gekostet, verrät er. Die anderen auch nicht viel weniger. Vermutlich steht hier ein fünf-, vielleicht sogar sechsstelliges Anfangsinvest. „Ich hätte gerne größer gestartet, aber mit 10hl komme ich die nächsten Jahre auch gut hin. Und zur Not muss die Anlage dann eben auch mal 24 Stunden durchlaufen“, sagt der Brauer. Aber langfristig wäre eine Größe von 30-40hl eine schöne Hausnummer – wenn es läuft. Und wenn nicht? „Dann ist nach zwei Jahren das Geld alle“, sagt er leise und grinst. Der Mann meint es also wirklich verdammt ernst. Und wirkt trotzdem absolut tiefenentspannt.

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Simon Siemglüß zwickelt sein Schwarzbier – und ist zufrieden (Foto: StP)

Vielleicht kann er das auch sein, weil noch etwas Siemsglüß von so manchem Craft-Beer-Glücksritter dieser Tage unterscheidet: Er hat sowohl das theoretische Hintergrundwissen als auch umfassende praktische Erfahrung. Craft Beer Erfahrung.

Einmal Welt und zurück

Siemglüß bisheriger Lebenslauf führt zweieinhalb mal um den Globus. Die ganz kurze Version: Simon Siemsglüß kommt aus Hamburg und ist dahin zurück gekehrt. Die etwas längere: Einen Großteil seines Lebens hat Siemsglüß studiert und die Welt erkundet. Er hat vier Jahre in Montreal gelebt, wo er einen Abschluss in Economics gemacht hat, dann schrieb er sich für Internationale Politik ein, machte einen Master in London. Nebenbei entdeckte er Craft Beer für sich, 2008 ging er für den sechsmonatigen Certified Brewmaster Kurs an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei nach Berlin. Danach machte er ein halbes Jahr Praktikum am Nockherberg  in München und ging dann für Paulaner nach China. Da blieb er ein Jahr, dann zog er noch einmal nach London, wo er einen Job als Brauer bei der Zerodegrees Gasthausbrauerei annahm. Das war 2010, also genau zu jener Zeit, in der Craft Beer in UK groß wurde, als The Kernel und Camdem Town Brewery aufmachten. 2011 studierte er dann noch einmal, und zwar Brauen und Destillieren an der Heriot-Watt-University in Edinburgh – „Das Weihenstephan von Großbritannien“, wie er sagt – und schloss im Herbst 2012 mit einem Master ab. Danach zog er nach Hongkong, wo seine Freundin zu Hause ist, und wollte dort eine Brauerei starten. In Asien, vor allem Shanghai, Beijing, Hongkong und Singapore, gehe nämlich einiges in Sachen Craft Beer, sagt Siemsglüß. Mehr als in Deutschland sogar. „Allerdings war das alles dann doch ziemlich kompliziert, so dass ich irgendwann gesagt habe: Komm, dann gehste lieber nach Hause.“ Und das hat er getan. Seit Mai 2014 braut Simon Siemglüß nun sein eigenes Bier in Hamburg-Stellingen, seit Juni ist Buddelship-Bier im Handel.

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Liegende Lagertanks, offene Gärung und bald will Siemsglüß Hefe selber züchten. Wie gesagt: Der Mann meint es ernst (Fotos: StP)

Momentan braut er zwei Mal pro Woche, der Rest der Zeit (einschließlich vieler Nächte) geht für Abfüllen, Buchhaltung, Vertrieb und das ganze Zeug drauf.  Sein Sortiment teilt der Mann, der zehn Jahre in der Fremde gelebt hat und nun doch wieder heimgekehrt ist, auch dem entsprechend auf: Zum einen hat er da die Biere der Serie „Heimathafen“, das ist ein Pils (heißt „Mitschnagger“), ein Rotbier, ein (eher cremig und wenig Röstaromen) und ein Weißbier („Blanker Hans“). Unter der Überschrift „Auf See“ braut er ein belgisches Saison, ein Pale Ale, IPA („Great Escape“) und ein Baltic Porter.

Auch das ist ganz schön viel für einen, der gerade erst angefangen hat. Aber wie gesagt: Simon Siemsglüß meint es ja auch ernst und hat sein Craft Beer Handwerk gelernt. Ganz im Gegensatz zu Tiga, der Brauereiwachhündin, die Besuchern zum Abschied fiepen hinterherläuft und sich noch mal zwischen den Ohren kraulen lässt.

buddelship brauerei hamburg

Tiga – zu gut für die Wachhundwelt (Foto: StP)

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  • Bekannteste Biere: 
    “Mitschnagger” (Pilsener), “Great Escape” (India Pale Ale), “Blanker Hans” (Weißbier)

 

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